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Opfer fliegen 1. Klasse

Opfer fliegen 1. Klasse

Titel: Opfer fliegen 1. Klasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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zugeschnürt. Auch die Brust wurde eng. Platzangst!
Und Sauerstoffmangel! Wie lange noch? Wann kam der Erstickungstod?
    Tim fingerte am Schloß des
Kofferraums herum, aber das war nicht so konstruiert, daß sich ein
Eingesperrter befreien konnte. Alles war glatt, in sich geschlossen, stabil.
Keine Lücke, in der der karate-gestählte Finger eine Feder oder einen Hebel
bewegen konnte. Tim hätte einen Schraubenzieher gebraucht oder besser noch eine
Brechstange. Nichts ging. Lediglich ein Fingernagel brach ab. Und der Schweiß
umhüllte den TKKG-Häuptling wie eine zweite Haut.
    Aber ich gebe nicht auf! dachte
er, und dann fiel’s ihm ein. „Idiot!“ murmelte er. „Warum nicht eher!“
    Er wälzte sich herum zur
Innenseite. Gegen die Trennwand lehnen sich auf der anderen Seite die Polster
der Rücksitze. Natürlich ist der Kofferraum ein geschlossenes Ganzes, gefertigt
aus bestem Stahlblech.
    Doch Tim wußte: An dieser
Scheidewand zur Fahrgastzelle, dem Innern des Wagens also, ist eine Stelle
unter der filzstoffartigen Innenverkleidung — eine Stelle, etwa
taschenbuch-groß, die ringsum perforierte Schweißnähte hat. Eine Art Notluke,
um von den Rücksitzen her im Falle eines Falles — eines Falles wie dem jetzt? —
eine Verbindung schaffen zu können zum Kofferraum.
    Tim faßte den Drahtkorb. Die
Henkel, fingerdick, ließen sich abnehmen. Ein Werkzeug.
    Er ertastete eine Nahtstelle in
der Innenverkleidung, hebelte mit dem Draht hinein, löste die Verklebung, riß
einen Teil des Stoffes herunter und mußte keuchend innehalten. Luft! Luft!
    Der Korb war im Wege. Tim schob
ihn hinter sich, zerrte mit aller Kraft an dem Kunststoff und riß ihn gänzlich
vom Stahlblech.
    Schweiß lief in die Augen. Aber
sehen konnte Tim ohnehin nichts. Er tastete über das Stahlblech, fand keine
Schweißnaht, keine Perforation und geriet in Panik. Hatte dieser Wagen
keine...? Doch! Da! Jetzt fühlte er sie. Ja, ein buchdeckelgroßes Rechteck.
    Er drückte dagegen. Es saß
fest.
    Er ballte die Faust.
    Beim ersten Stoß erfolgte der
Rückprall bis in die Schulter. Nochmal! Er schlug zu wie beim Karate-Bruchtest,
wieder und wieder. Und seine gestählten Fäuste machten sich bezahlt.
    Ein metallisches Knirschen. Das
Blechstück brach heraus. Noch ein Schlag — und es rutschte hinter die
Rücklehnen.
    Tim griff hindurch. Am scharfen
Blechrand schnitt er sich das Handgelenk auf. Aber seine Finger stießen gegen
die Lehnen. Er drückte mit voller Kraft und schob sie, die nicht zusätzlich
verschraubt sind, aus ihrer Lage.
    Licht drang herein. Er konnte
in den Innenraum sehen. Die gesamte Rückbank einschließlich der Lehnen war
gegen die Vordersitze gerutscht.
    Licht! Luft! Vor allem Luft.
    Er atmete durch das winzige
Fenster. Die Luft roch schweißig — so hatte Diepholz gestunken — , aber es war
mehr Sauerstoff als im Kofferraum-Verlies.
    Endlos reicht auch das nicht,
dachte er. Aber meine Frist ist verlängert.
    Er bog und wand sich, konnte zu
beiden hinteren Türen sehen. Ja, die Fenster waren geschlossen. Und vorn
sicherlich auch.
    Er nahm den Drahthenkel, sein
Werkzeug, bog es gerade und formte an einem Ende einen Haken.
    Vorsichtig wurden Hand und Arm durch
das scharfkantige Rechteck geschoben. Optisch konnte Tim sein Tun nicht
überwachen — das ließ die verdrehte Haltung nicht zu. Aber er hatte sich die
Richtung genau eingeprägt und fummelte mit seinem Werkzeug, bis er den
Widerstand der Fensterkurbel spürte.
    Es machte Mühe. Er rutschte
viele Male ab. Aber immer wieder fand der Haken Halt. Und Tim bewegte die
Kurbel, bis das linke hintere Fenster nahezu ganz geöffnet war.
    Luft! Waldesluft! Der Duft der
Bäume und Sträuchen Vogelstimmen! Es war phantastisch.
    Jetzt ist mein Überleben
gesichert, dachte er.
    Im selben Moment hörte er den
Wagen.
    Das Cabrio kam zurück.
     
    *
     
    Diepholz hatte in der Ferne,
zur Straße hin, das Schnattern eines Hubschraubers gehört, aber keinen am
Himmel gesehen. Dann war das Geräusch verstummt, und diese plötzliche Stille
entfachte das Mißtrauen des Verbrechers.
    Müller hatte zwar die gleichen
Wahrnehmungen gemacht, sich aber nichts dabei gedacht. Doch sein Komplice
mahnte zur Vorsicht, und Heike mußte langsam fahren, als sie sich — Kurve um
Kurve nehmend — der Landstraße näherten.
    „Halt an!“ befahl Diepholz, als
sie die letztee Kurve erreicht hatten, aber die Einmündung noch nicht im
Blickfeld lag.
    Heike gehorchte.
    Diepholz, der vorn saß, stieg
aus. Er

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