Opfer (German Edition)
ist. Darum« – seine Stimme hatte jetzt einen knurrenden Unterton – »leg die Seife und die Handtücher neben das Waschbecken und tu, was Miguelito tut. Zieh dich an!«
Damit stand er vom Bett auf und schaute auf den Jungen, der schon Hemd und Hosen anhatte und jetzt den nackten Fuß in den einen seiner schiefgetretenen, schnürsenkellosen Schuhe steckte. Als Rodney zu ihm herankam, senkte er den Kopf noch tiefer, und mit hastiger, fast wilder Gebärde fuhr er mit dem anderen Fuß in den zweiten Schuh.
»Hier«, sagte Rodney, hob seine Hosen auf und fasste in die eine Tasche, »hier, Miguelito, ich möchte dir noch etwas mehr Geld geben …«
Sich auf die Unterlippe beißend, die Augen auf seine ausgetretenen Schuhe geheftet, schüttelte der Junge den Kopf. Er sagte kein Wort. Er schüttelte nur den Kopf, schüttelte ihn so heftig, dass ihm die glänzenden schwarzen Haare in die glatte braune Stirn fielen.
»Du Dummkopf!«, rief Conchita.
Mit in die Seite gestemmten Armen stand die Alte da und sah den Jungen an. Verblüffend schnell hatte sie sich Rock, Bluse und die ausgefransten Pantoffeln angezogen. Jetzt langte sie nach ihrem Umschlagtuch, das an einem Haken neben der Tür hing.
»Du Dummkopf!«, rief sie abermals.
»Du würdest es nehmen, was?«, sagte Rodney. »Hier, kannst es haben, alte Kuh.« Und er reichte ihr einen Zehn-Peso-Schein.
»O gracias, Señor!« Conchita grabschte das Geld und stopfte es sich in ihren jetzt formlosen Busen. »Gracias! Muchas gracias! Muchas gracias, Señor!«
»Und nun mach, dass du hier verschwindest«, sagte Rodney.
»Si, Señor.«
Als sich die Tür hinter Conchita geschlossen hatte, schaute Rodney wieder lauf den Jungen. Er hatte sich nicht bewegt. Er stand noch immer da und schüttelte den Kopf. Dann blickte Rodney auf Lisa, die mit dem Gesicht zur Wand auf dem Bett lag.
»Lisa«, sagte er ganz ruhig. »Lisa, Lisa …«
Genauso ruhig, wie er ihren Namen sprach, drehte sie sich herum und sah ihn an, dann den Jungen und schließlich wieder ihn.
»Sorg dafür, dass der Kleine noch etwas Geld von mir nimmt«, sagte Rodney.
Mit bebenden Lippen, das blasse Gesicht verzerrt, fast schon verstört, sah Lisa den Jungen an, liebevoll und zärtlich, und sagte dann leise: »Miguelito …«
Der Junge schaute zu ihr hoch, aber gleich wieder runter. »Miguelito«, wiederholte sie,
»Miguelito … Komm sei brav, mon petit. Nimm, was der Señor dir geben möchte …«
»Nein, Señora!«
Der Junge hob jetzt den Kopf, und zwar so ruckartig, dass ihm das Haar aus der Stirn zurückschlug. Seine vollen, sinnlichen roten Lippen bebten. Wieder schüttelte er heftig den Kopf. Dann sah er Rodney an, sah Lisa an, sah das Kruzifix an und bekreuzigte sich.
»Miguelito …«, begann Lisa wieder mit versagender Stimme.
»Nein, Señora.« Er steckte die Hand in die Tasche seiner verschossenen blauen Hosen und holte Geld heraus. »Nein, Señor.« Er sah Rodney gerade, jedoch ohne Unverschämtheit an. »Hier, Señor« – sein Ton war nahezu entschuldigend – »hier, Señor, dieses Geld von vorhin kann ich nicht nehmen. Ich …«
»Nun werd nicht albern«, sagte Rodney. »Steck es wieder ein, Kleiner. Du kannst es brauchen. Und …«
»Nein, Señor. Ich bin ein schrecklicher Sünder, Señor.« Er zwang Rodney das Geld in die Hand. »Hier, nehmen Sie es, Señor. Und jetzt muss ich gehen. Zum Priester und …«
Er warf einen raschen Blick auf Lisa, und für einen kurzen Moment trat Verlangen in seine Augen. Dann, genauso schnell und kurz, schaute er auf Rodneys hängenden langen Schwanz.
»Nein!«, rief er, und ehe Rodney ihn aufhalten konnte, rannte er hinaus. Die Tür schlug hinter ihm ins Schloss.
»Na schön!«, sagte Rodney und drehte sich dem Bett zu, jedoch ohne Lisa anzusehen. »Na schön!« Und es schwang darin leichtes Amüsiertsein mit. »Ich glaube, wir haben seine Karriere als Schwanzlutscher beendet. Das heißt du .«
»O Rodney, wie kannst du …«
Er sah sie jetzt an. Sie lag flach auf dem Rücken, weinte und starrte zur Decke empor. Er trat zum Bett, blieb dort zögernd stehen. Dann setzte er sich auf die Kante.
»Was meinst du damit?«, fragte er ruhig, doch mit einem Anflug von Verärgerung.
»Ach, Rodney«, seufzte sie, »siehst du nicht, was wir getan haben? Der arme Junge … Er wird nie wieder so sein wie vorher, und …«
»Logisch«, sagte Rodney. »Schließlich hast du ihn Votze kosten lassen und ihm Appetit gemacht.«
Er streckte die Hand aus und
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