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Opfer (German Edition)

Opfer (German Edition)

Titel: Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Bernard Burns
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sein, Mrs. Oviedo?«
    Ein paar Sekunden saß sie nur da, die Wunde ihres roten Mundes bebend. Dann schaute sie hoch. »Oh, hallo … Hallo, Hector.«
    Rodney sah Fortune an, die, als sie mit dem Ober sprach, ihre Hand von der seinen nahm. »Was möchtest du haben?«, fragte er, wartete aber ihre Antwort nicht ab, sondern sagte zu dem Ober: »Für mich einen Canadian Club mit Soda.«
    »Und für mich«, sagte sie, »einen Martini. Aber dry, Hector.«
    »Sehr wohl, Mrs. Oviedo.«
    Als der Ober gegangen war, hüpfte sie auf die eine Seite. Die Bank hüpfte mit. Dann sagte sie: »Jetzt erzähl mir, Rodney, erzähl mir alles. Was hast du diese langen Jahre getrieben?«
    »Nun« – er blickte nach unten, besah sich Fingernägel – »nun«, sagte er abermals: »nun, du weißt ja, ich bin zurück nach Europa gegangen, nachdem wir uns getrennt hatten und …«
    Er hörte auf, sich die Fingernägel zu besehen, und legte seine linke Hand auf den Sitz zwischen ihnen.
    »Ja«, sagte sie so sanft, so süß, ihre Stimme ein in Honig getauchtes Flüstern.
    Sie drückte seine Hand. Er sah sie an. Ihre Augen starrten auf ihren Schoß. Die langen Wimpern sahen echt aus, obwohl er wusste, dass sie es nicht waren. Auf dem Rücken ihrer kleinen Nase war ein winziger Höcker, der ihre Gradheit unterbrach und der der wunderschön geschwungenen, sich von ihrer Stirn hinunter um das feste Rund ihres Kinns ziehenden Linie einen Hauch von Hochmut verlieh. Ihr vollendet geformtes Ohr war sehr klein und elfenbeinweiß gegen die golddurchwirkte Haarfülle. Im Profil verlor ihr Gesicht fast all die theatralische Derbheit, die es manchmal hatte. Für ihn, wenn er sie jetzt anschaute, war es wie eine prachtvolle Kamee. Es erinnerte ihn an ein Renaissance-Medaillon, an eine Perlmuttbrosche, an ein erlesenes Limosiner Email. »Ja«, sagte sie abermals und drückte seine Hand fester, »nachdem du nach Europa weg warst, habe ich nachts wachgelegen und geweint. In meinen Träumen sah ich dich drüben in Spanien und …«
    In Spanien … In Spanien?! Er entzog ihr seine Hand. Sofort war er wieder völlig nüchtern, und der Schmerz, den er empfand, war ganz echt. Aller Alkohol der Welt konnte ihn nicht betäuben, nicht abtöten. Und immer, wenn er an Spanien dachte, begannen kleine schleimige Tiere sich an der Blume zu mästen, die einmal – am ersten Tag – sein Herz gewesen sein muss.
    Zwischen den Zähnen murmelte er: »Aber ich bin gar nicht nach Spanien gegangen. Als ich nach Europa kam, war alles schon vorbei.« Und während er das sagte, fühlte er sich besser, und einen Augenblick lang glaubte er wirklich, wenn sich Barcelona länger gehalten, wenn der Bürgerkrieg angedauert hätte, wäre er nach Spanien gegangen. Aber dann, und er runzelte die Stirn, sah er der Tatsache seines Kleinmutes bei Kriegen ins Auge. Doch sofort, noch immer stirnrunzelnd, schloss er alle Kanäle zu seinem Geist ab und sagte sich, Krieg bleibt Krieg, egal, wo, und ist fies, genauso wie die Welt.
    Zwei tiefe Furchen zeichneten sich auf seiner Stirn ab, als er jetzt zu ihr sagte: »Ich habe mich verändert, Fortune. Heute lass ich lieber andere für mich kämpfen. Als würde – er lächelte höhnisch – überhaupt für mich gekämpft. Ja, ich hab mein Gewissen trainiert, mich zu liebkosen, statt mich zu züchtigen. Du siehst, ich habe Nietzsche gelesen. Ich bin jetzt« – sein Lächeln wurde bitter – »jenseits von Gut und Böse.« Sie ergriff wieder seine Hand und sah ihm voll ins Gesicht. »Ich bin noch das ungebildete Dummchen, Darling«, sagte sie. »Nie-Tsche – ist das ein chinesischer Weiser? Jedenfalls aber kann ich sehen«, fuhr sie fort, während er über sie lachte, »dass du dich zum Bessern verändert hast, Baby. Vielleicht bist du jetzt glücklicher …«
    Er lächelte, zuckte die Achseln, nahm seine Hand aus der ihren, um anzufangen, ihre Hand sanft zu streicheln, ganz sanft, als wolle er ihr für diese Art Trost danken. Ach, sie war wundervoll, dachte er. So herrlich unmoralisch. Wäre er ein Gangster, gäbe sie die perfekte Ganovenbraut für ihn ab.
    »Was ist«, fragte sie, »wirst du eingezogen …?«
    »Ach, da hab ich Ruhe, jedenfalls im Moment«, antwortete er. »Bedingt k. v.«
    » Du und nur bedingt k. v.? Wie hast du das geschafft, Baby? Der Körper« – sie tippte mit dem Finger auf seine Brust (er hustete) – »sieht mir durchaus kriegsverwendungsfähig aus.«
    »Schon«, sagte er verschmitzt, »aber der Geist befindet sich im Zustand

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