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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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sich an die Stirn. »Mir ist grad so komisch, als ob ich gleich umkipp, oder so.«
    Lizzy runzelte die Stirn und folgte Corrines Blick zu der Gestalt vor dem Fenster. Samantha drehte sich weg, aber Lizzy erkannte sie noch als das Mädchen, das sich im Frühjahr Corrines Styling hatte nachmachen lassen. Zwischen den beiden war irgendetwas Komisches gelaufen – und lief anscheinend noch immer.
    Lizzy mochte Corrine sehr, ließ sich aber nicht gerne anlügen. »Zwei Minuten«, sagte sie. »Und sieh zu, dass deine Freundin dann weg ist.«
    Corrine wurde knallrot und stolperte fast über den Besen, als sie nach draußen lief. Samantha war schon auf der anderen Straßenseite und entfernte sich weiter.
    »Sam, bleib stehen!«, schrie Corrine so laut, dass sie im Salon alle hörten. Sie rannte hinterher.
    Samantha fuhr herum. Ihre Augen funkelten böse, als sie Corrine das Buch entgegenhielt.
    »Gib das her, Sam«, forderte Corrine, Tränen der Hilflosigkeit in den Augen. »Das darfst du nicht. Ist nicht mal meins.«
    Samantha wich ihr aus und lief im Kreis um sie herum. »Wieso denn?«, fragte sie. »Was ist denn so toll daran?«
    »Das ist selten.« Corrine griff erfolglos nach dem Buch. »Davon gibt’s auf der ganzen Welt nur ’ne Handvoll.«
    Samantha sprang zurück. »Sieht gar nicht so toll aus. Und du verstehst das doch bestimmt auch gar nicht.«
    »Doch.« Corrine ballte die Fäuste. »Das gehört ’nem Hexenmeister, und wenn der rauskriegt, dass du das hast, dann bereust du’s.«
    »Ein Hexenmeister?« Samantha lachte laut los. »Der war gut, Corrine.«
    Corrines Fausthieb ging ins Leere. »Gib’s her, hab ich gesagt!«, jammerte sie.
    »Vielleicht«, erwiderte Samantha. »Aber nur, wenn du mir vorher hilfst.« Sie schaute über Corrines Schulter und sah Lizzy aus dem Salon kommen.
    »Corrine!«, brüllte ihre Chefin. »Das reicht. Komm sofort wieder rein!«
    »Sekunde noch«, rief Corrine zurück. Sie ließ Sam nicht aus den Augen. »Was soll das heißen, dir helfen?«
    »Sofort!« Lizzy kam über die Straße auf sie zu.
    »Am alten Bunker, wo ihr gefeiert habt«, sagte Sam. »Wo die Polizei euch verjagt hat. Ja, ich hab euch gesehen, Corrine.« Sie grinste über Corrines verblüfftes Gesicht. »Ich kann dich auch ohne Kristallkugel im Auge behalten, Schwester . Komm heute Abend da hin, wenn du hier fertig bist. Dann geb ich’s dir vielleicht wieder.«
    Lizzy packte Corrine an der Schulter, schaute aber Samantha an. Das Mädchen sah schlimm aus. Als hätte sie auf der Straße geschlafen.
    »Hau ab«, schimpfte Lizzy. »Und lass meine Mitarbeiter in Ruhe.«
    »Aber Lizzy, sie …«
    »Und du« – sie zerrte Corrine zurück Richtung Salon – »du gehst jetzt sofort zurück an die Arbeit und hältst den Rest desTages die Klappe, oder ich überleg’s mir noch mal mit deiner Stelle.«
    Die Worte taten mehr weh als eine Ohrfeige.
    *
    Als Corrine in absoluter Stille das letzte Haarbüschel aufgefegt und die letzte Kaffeetasse gespült hatte, steckte Lizzy den Kopf aus der Küche.
    »Corrine«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Was war denn da los?«
    Corrine starrte sie ernst an. Bis heute war sie begeistert von Lizzy gewesen. Aber so, wie sie eben mit ihr geredet hatte, und das auch noch vor Sam, war sie vielleicht doch nur wie alle anderen Erwachsenen, die sie im Laufe der Jahre enttäuscht hatten.
    Lizzy war im Gegenzug schockiert von Corrines feindseligem Blick. »Corrine«, versuchte sie es noch einmal. »Verstehst du denn nicht, dass du dich bei mir vor dem Fenster nicht prügeln darfst?«
    »Samantha Lamb hat mir das Buch gestern aus der Tasche geklaut«, erklärte sie. »Ich wollt’s mir nur zurückholen. Und du hast mich nicht gelassen.«
    »Wenn du mir das erklärt hättest …«, setzte Lizzy an.
    »… wär dir das egal gewesen«, unterbrach Corrine sie. »Wie allen anderen auch. Du bist doch nur nett zu mir, wenn du was davon hast.« Sie zog sich den Kittel über den Kopf, hängte ihn auf und warf sich ihre Tasche über die Schulter.
    »Corrine …«, fing Lizzy wieder an, wusste aber nicht so recht weiter.
    »Kann ich jetzt gehen?« Das Mädchen durchbohrte die Ausbilderin mit ihren dunklen Augen.
    Lizzy trat einen Schritt zurück. »Kann ich dir nicht irgendwie helfen?«
    »Lass es«, erwiderte Corrine. »Ich regle das selber. Wie immer.« Und damit ging sie an ihrer Chefin vorbei und verließ den Salon zum letzten Mal.
    *
    »Wie oft soll ich dir das noch sagen?«, knisterte die Stimme von Nojs

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