Opfer
erwartete.
»Oh«, sagte Samantha und zog die Oberlippe hoch. Sie gab sich gelangweilt, aber Amanda hatte gemerkt, wie sich ihre Pupillen plötzlich geweitet hatten. Sie konnte es wohl nicht fassen, dass ihre schreckliche Mutter ihr Zimmer so perfekt eingerichtet hatte.
Amanda unterdrückte ein Grinsen. Sam glaubte wohl, sie sei die erste Teenie-Rebellin überhaupt, und tatsächlich hatte sie es geschafft, ihre Großeltern zu schockieren. Edna hatte natürlich nicht glauben wollen, dass Sam selbst für die Tat verantwortlich war, und schob die ganze Schuld ihrer dummen kleinen Schulfreundin zu – und damit auch Amanda, die ihre Tochter auf so eine niedere Lehranstalt wie die Ernemouth High geschickt hatte.
Amanda hatte gewusst, dass ihre Eltern es ihr übelnehmen würden, wenn sie Sammy nicht auf die örtliche Privatschule schickte, und Eric hatte gleich Malcolm angerufen, damit er einschritt. Aber Malcolm war besoffen gewesen, hatte angefangen zu heulen und gestanden, dass er das Geld nicht hatte und sogar das Haus in Chelsea verkaufen wollte, um seine Firma zu retten. Die Lage war viel schlimmer, als Eric und Edna es sich vorgestellt hatten.
Amanda gab auch dann nicht nach, als Eric anbot, die Schulgebühren zu bezahlen. Sie erklärte, es würde ihrer Tochter guttun, wenn sie sich ein bisschen unter die örtliche Jugend mischte, ihr selbst hatte es ja schließlich auch nicht geschadet. Sie kannte Sam besser als die beiden, und vor allem wusste sie, dass sie dort in der Villa am Meer weitaus schlimmeren Einflüssen ausgesetzt sein könnte. Es war höchste Zeit, dass sie die verwöhnte junge Dame wieder unter ihre Fittiche nahm.
Samanthas Blick glitt über den Boden und verweilte auf dem neuen Stereoturm. Sie ging darauf zu und sah sich kurz nach ihrer Mutter um, als würde sie abwägen, was sie sagen sollte. »Danke«, murmelte sie schließlich.
Amanda zog eine Augenbraue hoch. »Hier oben hast du es auch schön hell«, erklärte sie, »falls du Lust hast, mal was anderes zu bemalen als Omas Hund.«
Samanthas Blick schoss hoch, und wieder merkte Amanda, wie sich ihre Pupillen geweitet hatten und ihr unter der dicken Schminke die Röte ins Gesicht trat. Amanda hielt ihrem Blick stand und forderte Sam heraus, es wieder so vehement zu leugnen, wie sie es bisher vor allen anderen getan hatte. Wenn sie alleine waren, fiel es Sam nicht mehr so leicht.
Samantha blinzelte und wandte sich wieder der Stereoanlage zu. Sie hob den Deckel des Plattenspielers, gab vor, den Plattenteller zu inspizieren, und ließ die Finger über die Drehknöpfe gleiten.
Das Schweigen wurde von Schritten auf der Treppe unterbrochen. Schnaufend erschien Wayne mit einem Karton voll mit Samanthas Sachen in der Tür. »Wo soll ich das hinstellen?«, fragte er.
»Samantha?« Amanda starrte ihre Tochter weiter an.
»Gleich hier.« Samantha nickte auf eine Stelle neben demBett, ohne den Blick zu heben. Ihr Kopf war jetzt so rot, dass auch ihr Make-up es nicht mehr verbergen konnte.
»Danke, lieber Wayne«, sagte Amanda bissig.
»Danke«, murmelte Samantha kaum hörbar.
»Okay, wir lassen dich mal alleine. Dann kannst du alles so einrichten, wie du willst.« Amandas Blick kreuzte Waynes, als er den Karton vorsichtig abstellte, und sie zwinkerte ihm zu. »Wir sagen Bescheid, wenn das Essen fertig ist.«
»Was ist mit den anderen?«, fragte Wayne. Im Flur standen noch sechs Kartons.
»Das schafft Sam schon«, sagte Amanda. »Wenn sie so weit ist, holt sie sie sich.« Sie ging wieder die Treppe hinunter, und Wayne wollte ihr folgen.
»Wa-ayne«, säuselte Samantha und äffte ihre Mutter nach, als sie außer Hörweite war. Er sah sich um. Das Mädchen wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und schob ihre frisch entwickelte Brust so weit heraus, wie es ging. Nicht zum ersten Mal war ihm in ihrer Gegenwart zutiefst unwohl.
»Danke, Wa-ayne.« Sie zog die Oberlippe spöttisch hoch. »Und jetzt lauf brav zu deinem Frauchen. Bei Fuß!«
Wayne hatte den geschorenen Hund vor Augen, als er Amanda folgte.
Die hatte in der Küche den Kühlschrank geöffnet und stellte eine Flasche Riesling und eine Dose Foster’s auf die Arbeitsplatte und holte Gläser aus dem Schrank.
»Das haben wir uns verdient«, sagte sie, als sie Wayne sein Bier gab und sich selbst großzügig einschenkte. »Prost.«
Wayne verzichtete aufs Glas. Er stieß mit der Dose an ihren Grünglaskelch und trank einen langen, wohltuenden Schluck. »Danke, Schatz«, sagte
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