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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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zu gut«, erwiderte Sean. »War der Journalist von einer Regionalzeitung oder von einer größeren? Wissen Sie das noch?« Nichts davon war bei Francescas Ausschnitten dabeigewesen.
    »Vom Times Educational Supplement «, erwiderte Mrs Linguard. »Mit der Regenbogenpresse hätte er nie gesprochen, aber am Montag hatten die die Story ohnehin alle und verdrehten sie nach Lust und Laune. Mr Pearson hatte wohl die falschen Sachen über die Stadt gesagt, es sei eine Problemgegend mit einer überdurchschnittlichen Quote von Kindern, für die das Jugendamt zuständig sei. Was natürlich stimmte …«
    Sie zog die Augenbrauen hoch. »Aber wenn dann etwas daraus gemacht wird wie: Corrine Woodrows Lehrer: In Inzeststadt gehört Mord zum Alltag , tja, dann können Sie sich sicher vorstellen, wie das ankam. Die standen am Schultor und wollten ihm an die Gurgel. Wir mussten die Polizei rufen, damit er heil nach Hause kam. Da konnte der arme Mr Pearson ja nur kündigen.«
    »Stand der Artikel auch in der Lokalzeitung?«, hakte Sean nach. »Im Mercury ?«
    »Der Mercury «, wiederholte Mrs Linguard verächtlich. »Der erscheint freitags, und daraus wollten die Kapital schlagen, indem sie Mr Pearson anboten, sich öffentlich dafür zu entschuldigen, dass er den guten Namen der Stadt in den Dreck gezogen hatte. Da hat er natürlich abgelehnt. Also haben sie ihn in großen Buchstaben auf der Titelseite reuelos, kaltblütig, arrogant und so weiter genannt. Das war damals ein fürchterliches Blatt, geführt von einem schmierigen, kleinen Kerl. Wie hieß er noch? Hayles.« Sie spuckte den Namen aus. »Sidney Hayles.«
    Dann stand es wohl gar nicht so schlecht um das Gedächtnis der Dame. »Sie wissen nicht zufällig, was aus Mr Pearson geworden ist?«, fragte Sean. »Ich würde gerne mal mit ihm reden, wenn das ginge.«
    »Tja.« Mrs Linguard zögerte. »Er hat eine Stelle an der Uni in Norwich gefunden. Aber sie sind deswegen nicht weggezogen – seine Frau hatte hier ein Restaurant, und sie haben es durchgestanden.«
    Sie machte wieder eine Pause und starrte ins Leere. Sean sah, dass ihr etwas sehr naheging. »Wirklich traurig, Mrs Pearson ist vor Kurzem gestorben. War erst Mitte fünfzig. Krebs. Ich habe ihn seit der Beerdigung nicht mehr gesehen, aber ichkann mir nicht vorstellen, dass er weggezogen ist. Ich schau mal eben nach …«
    Sean nickte und sah sich wieder das Schülerregister an, die aufgereihten Namen der Schüler, die zur gleichen Zeit wie Noj von der Schule abgegangen waren. Dort stand schwarz auf weiß: Dale Smollet .
    »Bitte schön.« Mrs Linguard schrieb Philip Pearsons Telefonnummer auf ihren Block und riss Sean die Seite ab.
    »Danke«, sagte Sean und zeigte auf den Eintrag im Register. »Und was für eine Wirkung hatte die ganze Sache Ihrer Meinung nach auf ihn?«
    »Oh.« Mrs Linguards Stimmung verbesserte sich sichtlich. »Der Detective Chief Inspector. Na ja, der ist nach der Sache erst auf die Idee gekommen, Polizist zu werden. Vorher hatte er selbst einen ziemlich schlimmen Freundeskreis, und das verheimlicht er auch gar nicht. Und jetzt gehört er zu unseren erfolgreichsten Ehemaligen und verleiht jedes Jahr beim Sportfest die Medaillen.« Sie schüttelte den Kopf. »Da sieht man’s mal wieder, oder? Wie unterschiedlich sich die Kinder entwickeln können.«
    »Und wie«, sagte Sean.
    *
    Vor der Schule rief Sean Rivett an. Er ging einfach davon aus, dass Paul Gray sich noch nicht bei dem alten Hasen gemeldet hatte.
    Beim zweiten Klingeln nahm er ab. »Zwei von den Schweinen haben wir, und das letzte kriegen wir auch noch.« Wie immer hörte Rivett sich sehr zufrieden mit sich selbst an. Im Hintergrund rauschte eine Straße. »Wie läuft’s denn bei Ihnen heute Morgen?«
    »Ganz interessant«, erwiderte Sean. »Irgendjemand hat dem Tatort einen Besuch abgestattet.«
    »Was?« Rivetts Stimme wurde plötzlich lauter. »Tut mirleid, hier ist gerade ein Laster vorbeigerauscht, hab Sie nicht richtig verstanden. Was war mit dem Tatort?«
    »Irgendwer ist da gewesen«, wiederholte Sean. »Vor Kurzem. Hat mit Salz ein Pentagramm auf den Boden gestreut und ein paar Kerzen abgebrannt. Wollte wohl den alten Tatort nachstellen, soweit er ihn kannte.«
    Rivett schwieg, nur die Straße war zu hören. »Immerhin lag diesmal keine Leiche dabei«, setzte Sean fort.
    »Die kranken Schweine«, sprach Rivett lautstark aus, was Gray nur empfunden hatte. Sean atmete aus. Rivett ging die Sache anscheinend richtig nahe.

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