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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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öffnete die Tür des Wagens. Die Stiche in seinen Beinen waren nicht so stark wie vorhin, aber sie machten ihm doch klar, dass er dringend aufstehen musste. Er steckte das Handykabel in den Zigarettenanzünder, lehnte sich außen ans Autound überlegte sich, was er wirklich wusste, und was er nur zu wissen glaubte.
    Nach fünf Minuten steckte er das Handy wieder in die Tasche, schloss den Wagen ab und ging los. Er wusste nicht, ob er draußen in den Dünen Empfang haben würde, also ging er nur bis an die Ufermauer und betrachtete den Windpark in der Ferne. Francesca nahm beim ersten Klingeln ab.
    »Hast du dein Treffen hinter dir?«, fragte sie.
    »Ja. Aber gerade hab ich nur ein paar Minuten, bis Rivett wieder bei mir ist. Wollte dir nur eben eine neue Spur durchgeben. Ich hab an der Ernemouth High mit einer sehr interessanten Frau gesprochen, einer Mrs Nora Linguard.«
    »Ja, die ist doch da Schulkrankenschwester, oder?«
    »Genau«, erwiderte Sean. »Und die Einzige, die von der damaligen Belegschaft noch übrig ist. Ein gutes Gedächtnis hat sie auch noch. Sie sagt, Smollet kommt jedes Jahr zum Sportfest und verteilt die Medaillen. Er soll einer ihrer erfolgreichsten Ehemaligen sein. Meinst du nicht, das wäre eine gute Grundlage für eins dieser Porträts über einen Musterbürger, der der Gemeinde so unheimlich viel zurückgibt.«
    »Da hast du vielleicht recht.« Francesca gefiel die Idee anscheinend.
    »Einfach nur ein freundliches Interview, würd’ ich sagen«, setzte Sean fort. »Über seine Erinnerungen an die Schulzeit und warum er so engen Kontakt zur Schule hält. Und dann könntest du dir im Laufe deiner Recherchen mal angucken, wie er es so schnell die Karriereleiter hochgeschafft hat und was Rivett damit zu tun hatte.«
    »Bin schon dran«, erwiderte sie. »Hab bereits jemanden auf etwaige gemeinsame Geschäftsinteressen angesetzt. Einen alten Kollegen in London.« Ihre Stimme bekam einen ironischen Unterton. »Der kann so was ganz gut.«
    »Gut«, sagte Sean. »Genau das brauchen wir.«
    »Dann mach’ ich mich mal an die Arbeit«, erwiderte Francesca.
    »Moment noch. Könntest du eben was für mich nachgucken? In den Zeitungsausschnitten stand nichts davon, aber Mrs Linguard hat mich darauf hingewiesen: Ende Juni 1984 soll es eine ganze Titelseite über Corrines Klassenlehrer Philip Pearson gegeben haben.«
    Nach der dritten langen Gesprächspause des Morgens sagte Francesca: »O-kay, das hab ich wohl übersehen. Dürfte nicht schwer zu finden sein.«
    »Ich bin jetzt ein paar Stunden lang nicht zu erreichen«, sagte Sean. »Ich melde mich dann später bei dir. Viel Glück bei der Recherche. Du kriegst bestimmt mehr aus dem Detective Chief Inspector raus als ich.«
    »Darauf kannst du dich verlassen«, versicherte sie.
    *
    Sean war gerade am Bunker angekommen, als eine Handvoll Gestalten am Horizont auftauchte. Rivett ging voran und rutschte fluchend auf dem weichen Sand die Düne herab. Ihm folgte ein jüngerer Mann mit einer schweren Tasche über der Schulter. Das war wohl der Mann von der Spurensicherung. Ganz hinten war das kantige Profil von DCI Dale Smollet zu sehen.
    Sean kniff die Augen zusammen, als die Sonne plötzlich wieder durch die Wolken brach. »Mach schon, make my day «, sagte er.

24
    FLUCH
    März 1984
    Darren legte die Nadel auf die Schallplatte. Es knisterte, und dann schwebte ein Saiten-Glissando in den Raum, ein Klavier spielte einen krachenden Mollakkord. Die Musik malte um sie herum eine Sternennacht in Samtblau und Silber. Seit die 7-Inch im Januar erschienen war, spielte er seine neue Lieblingsplatte rauf und runter.
    Als er Debbie ansah, die quer auf seinem Bett lag und aus dem Fenster starrte, merkte er, dass auch sie mit den Gedanken ganz woanders war. Aber ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen an keinem allzu angenehmen Ort.
    »Alles klar, Debs?« Er kniete sich neben sie und legte die Hand auf ihre. »Heute bist du gar nicht du selbst. Ist irgendwas?«
    Sie drehte sich zu ihm um. Sie hatte über die Friedhofsmauer gegenüber von Darrens Haus hinweg auf die kahlen Bäume geschaut, ohne sich etwas Bestimmtes anzusehen. Sie hatte nichts als die Bilder an Alex’ Wand vor Augen, und der Magen war ihr schwer vor Schuldgefühlen.
    »Sorry«, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab. »Ich war ganz woanders. Was hast du gesagt?«
    »Ich hab gesagt« – Darren hob ihre Hand und küsste die Knöchel – »ich spiel den Song noch einmal, und dann gehen wir raus und

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