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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    *
    »Kommt ihr zu der Party am Wochenende?«
    Marc Farman legte gerade seine Bücher zurück in seinen Spind im Flur vor den Toiletten der zehnten und elften Klassen, als er Darren Moorcock und Julian Dean sah.
    »Was denn für ’ne Party?«, fragte Darren, der stehen blieb, während Marc sein Schloss vor den Spind hängte. Darüber klebte ein Aufkleber mit einem Totenkopf und gekreuzten Knochen.
    »Das war Bullys Idee«, erklärte Marc. »’ne Strandparty zum ersten Mai.«
    Darren runzelte die Stirn, als er sich an eine Story aus den Lokalnachrichten erinnerte. »Braucht man da nicht ’ne Genehmigung von den Bullen oder so?«
    »Tja«, sagte Marc und tippte sich an die Nase. »Wir feiern in so ’nem alten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg oben in den North Denes, wo uns keiner sieht. Haben uns letzten Samstag da umgeguckt. Meilenweit kein Haus. Wir nehmen ’nen Ghettoblaster mit und machen ein Lagerfeuer – wird bestimmt geil.«
    Darren und Julian sahen einander an.
    »Hört sich gut an«, urteilte Darren. »Wer kommt denn noch so?«
    »Bully, Kris, Lynn, Al, Bugs, Shaun«, zählte Marc an den Fingern ab. »Die üblichen Verdächtigen. Ladet ruhig noch ein paar Leute ein, aber« – er tippte sich wieder an die Nase und zwinkerte – »posaunt es nicht so laut herum, alles klar?«
    Keiner von beiden hatte gemerkt, wer auf leisen Sohlen und mit aufgestellten Ohren hinter ihnen vorbeigeschlichen war.
    *
    »Yayyy!« Die Rakete startete vom Kamm der Düne und bog ein bisschen nach links, als sie in den Himmel jagte. Bully fiel auf den Hintern und brüllte begeistert, als sie in einem blau-rosa Funkenregen explodierte. Köpfe mit Stachel- und Gelfrisuren schauten ihn aus dem lockeren Kreis unten um Marcs Ghettoblaster an, aus dem ein langsames, laszives Saxophon-Solo in die Abendluft glitt.
    »Oy!« Kris sah zu seinem Kumpel hinauf. »Die sind für später, wenn’s dunkel ist!«, brüllte er. »Wenn das Lagerfeuer brennt!«
    Bully lachte. »War nur ’n Test, Mann. Müssen doch wissen, ob die noch funktionieren«, rief er zurück, tanzte albern herum und rutschte dann die Düne hinunter.
    Alex stand auf, sprang auf ihn zu und fasste ihn zu einem Blödel-Square-Dance am Arm. Debbie sah den beiden mit erleichtertem Lächeln zu.
    Am Sonntagmorgen nach ihrem Streit war er mit einem Friedensangebot aus schwarzem Vinyl bei ihr aufgetaucht. Sie hatten sich die Hand gegeben, sich vertragen und die Platte bei ihr im Zimmer angehört. Nach einer Weile hatte er ihr erzählt, dass er nicht mehr mit Samantha zusammen war. Das lag nicht nur an dem, was sie gesagt hatte – er hatte es sich auch wegen ein paar anderer Dinge anders überlegt. Debbie hatte den Rest am Montag aus Julian rausgekriegt, nachdem Samantha suspendiert worden war. Alex hatte die ganzen Porträts von den Wänden genommen. Als Debbie das nächste Mal bei ihm war, sah es wieder ungefähr so aus wie vorher.
    Samantha war zwar später in der Woche wieder zur Schule gekommen, aber sie hatte Abstand gehalten. Sie war nicht in den Kunstraum gekommen und hatte auch im Klassenzimmer mit niemandem geredet. Vielleicht war ihr die Frisur peinlich, zu der sie wohl von ihrer Mutter gezwungen worden war, denn sie sah damit aus wie Pat Benatar.
    Aber hauptsächlich war sie wohl fertig, weil Al sich von ihr getrennt hatte. Maureen hatte Debbie erzählt, dass Mrs Pendleton irgendwann selbst ans Telefon gegangen war, als Samantha immer und immer wieder angerufen hatte. Sie hatte verschwiegen, was sie genau gesagt hatte, aber danach war wohl endgültig Schluss gewesen.
    Debbie fragte sich, welche Richtung Samantha jetzt wohl künstlerisch einschlagen würde. Sie erschauerte.
    »Ist dir kalt?« Darren legte den Arm um sie. Den ganzen Tag war es warm gewesen, jetzt sank die Sonne langsam. Schmale Wolkenstreifen wurden in goldenes Licht getaucht, während sie über dem Meer entlangzogen.
    »Nein.« Debbie lächelte zu ihm hinauf. »Hab nur gerade meinen Glückssternen gedankt, dass eine gewisse Person nicht mehr dabei ist.«
    Darrens blaue Augen schimmerten im Abendlicht.
    »Das kannst du laut sagen.« Er schaute kurz zu Al hinüber und sah dann wieder seine Freundin an. Er war genauso froh, dass diese Beziehung vorbei war, die fast schon seine eigene ruiniert hatte.
    Er küsste sie. Debbie schloss die Augen. Sein süßer Atem, das Gefühl seiner Lippen auf ihren wurde eins mit dem sehnsuchtsvollen Song und dem fernen Seufzen der

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