Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
Vom Netzwerk:
wie sein Leben verrann.
    Oh Gott, wie oft hatte sie davon geträumt. Fast kam es ihr vor, als hätte sie wirklich auf ihre blutigen Hände hinabgeschaut, die immer noch das Messer umklammerten.
    Und Gina – was würde sie mit Gina machen?
    » I believe in justice «, rief wieder der Refrain.
    Sie würde sie alle nehmen müssen. Alle, die sie ihr aufgezwungen hatte.
    » I believe in vengeance .«
    Und sie schaute zu, sie lachte und reckte Rats Kopf auf einem Spieß zum Himmel. Hinter ihr tausend Leute mit Fackeln, die sich vor Lachen kaum halten konnten und denen Flüche von den Lippen knisterten wie Feuer. Ein paar von ihnen bauten schon Ginas Galgen auf. Und hinter ihnen allen stieg ein Mann aus Rauch und Ruß auf und verdeckte den Himmel …
    I believe in getting the bastard.
    Oh ja, und noch eine.
    Getting the bastard.
    Samantha Lamb. Ja, Samantha Lamb musste sterben!
    NOW !
    Bully fasste sie wieder bei der Hand und wirbelte sie im Kreis herum. Vor Corrines Augen rasten Bilder vorbei wie auf einem Karussell: Messer. Blut. Schwarze Haare. Weiße Haut. Schreiende Münder.
    Dann ließen sie sich aufs Sofa fallen. Bully lachte, und die Vision war vorbei.
    Corrine schaute aus dem Bunker nach draußen und sah die fröhlich geröteten Gesichter ihrer Freunde. Glückseligkeit floss durch Corrines Adern wie geschmolzenes Gold.
    Die Sonne war jetzt fast untergegangen, der Himmel karminrot, das ruhige Meer blassblau.
    »Hilfst du mir mit dem Feuer?«, fragte Bully.
    *
    Auf dem Parkplatz des Iron Duke antwortete Gray auf den Funkruf. »Ich bin jetzt oben an den North Denes«, gab er an die Leitstelle durch. »Ich guck mich mal um. Wenn ich Verstärkung brauche, sag ich Bescheid.«
    Der Hund winselte und zog an der Leine.
    »Was denn?«, sagte Gray und schaute in die Richtung, in die die Schnauze des Tiers zeigte. Er hielt sich die Hand über die Augen und sah mitten in den Dünen eine Rauchfahne in der Dämmerung aufsteigen. »Da sind sie, was, Junge?«
    *
    Keiner sah ihn kommen. Die Musik war zu laut, und sie waren alle zu berauscht – vom Bier, von der Musik, von der Euphorie, die das Feuer entfacht hatte. Hier draußen in dieser ursprünglichen, schönen Nacht am Meer, am Rande der Welt.
    Das Erste, was Corrine bemerkte, war die Hundeschnauze, die ihre Hand anstupste, während sie quer auf dem Sofa saß und Bully in die Augen schaute, der von seiner Band erzählte. Als sie aufsah, stand da der Polizist vom Pier mit einer Leine in der Hand.
    »Corrine«, sagte er betont streng, obwohl seine Augen belustigt leuchteten. »Tut mir leid, aber die Party ist vorbei. Ihr müsst das Feuer ausmachen.«
    Niemand sah sie außer der Person, die sich von einer Telefonzelle an der Uferstraße aus beschwert hatte und jetzt in der Dunkelheit hockte und beobachtete, wie der Polizist die Feier frühzeitig beendete und die Freunde Sand übers Feuer treten und das Leergut einsammeln ließ.
    Ein leises Lachen schwebte ihnen hinterher und hallte von den Wänden des Bunkers wider.

Teil 4
    LÖSCH MICH AUS
    *

31
    SPIRITWALKER
    März 2003
    In dem Moment, als das Faxgerät anfing zu piepsen und zu surren, begann Digby, der größere der beiden Labradore, die vor dem Kamin lagen, im Schlaf zu winseln. Mr Pearson, der seit dem Anruf seiner Tochter in die Flammen gestarrt hatte, schrak aus seinen Erinnerungen auf.
    Er sah den Hund an, der mit den Vorderpfoten zuckte, als würde er etwas jagen, atemlos winselte, wovon sich auch sein Bruder Lewie anstecken ließ.
    »Was träumt ihr, Jungs?«, fragte Mr Pearson und stand auf.
    Sein Blick fiel auf das Foto auf dem Kaminsims. Darauf hatte er dunkleres, volleres Haar, und den Arm um eine Frau um die dreißig gelegt, deren Schultern von Wolken schwarzer Locken umspielt wurden. Zwischen ihnen stand ein schmales kleines Mädchen, die Haare mit einem roten Tuch zurückgebunden, und grinste breit. Dahinter lag das azurblaue Meer, und schroffe Felsen ragten in den klaren Himmel.
    »Sophia«, wandte er sich nicht zum ersten Mal an das Lieblingsbild von seiner Frau. »Was mach’ ich bloß mit ihr?«
    Sophia lächelte ihn sphinxhaft an. Digby dagegen rollte herum, stand schläfrig auf und schüttelte sich wach. Er stieß die Hand seines Herrchens mit der Schnauze an und sah mit erwartungsvollen braunen Augen zu ihm hoch.
    »Dann gucken wir mal«, sagte sein Herrchen und ging über den Flur in das enge Zimmer voller Bücherregale, das Francesca ihr Büro nannte.
    Das Faxgerät spuckte eine Seite nach der anderen

Weitere Kostenlose Bücher