Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
jemand für seine Exfrau interessierte, nach all den Jahren.«
»Was hat er gesagt?«
»Er hat gesagt, dass sie nie miteinander geschlafen hätten. Er hätte die Geduld aufgebracht, bis zur Hochzeit zu warten. Als sie auch danach keinen Sex wollte, habe er darüber nachgedacht, dass er vielleicht einen Fehler gemacht habe. Aber er habe ihr nie Gewalt angetan. Oder sie gar vergewaltigt.«
»Hast du ihm geglaubt?«
»Ganz subjektiv? Ja.«
Margot schwieg. Es war schwer vorstellbar, dass eine Vergewaltigung nicht stattgefunden hatte, wenn eine Frau dies unter Tränen behauptete. Aber auch in Hessen hatte es schon solche Fälle gegeben. Ein Berufsschullehrer aus dem Odenwald – Margot erinnerte sich nur noch, dass der Vorname Horst gewesen war – war einer solchen Frau zum Opfer gefallen. Fünf Jahre, nachdem der Mann aus der Haft entlassen worden war, wurde er freigesprochen. Und das nicht aus Mangel an Beweisen, sondern, wie das Gericht ausdrücklich betont hatte, wegen erwiesener Unschuld. Margot schluckte.
»Francis gab zu, seine Frau einmal geschlagen zu haben. Er sagte allerdings, es sei Notwehr gewesen, weil sie ihn bedroht habe. Die Klage endete im Vergleich.«
»Das heißt?«, fragte Margot.
»Das heißt, dass Paula Trizzi geschieden wurde und finanziell gut ausgestattet war. Dann ging sie zurück nach Deutschland.«
»Nach Deutschland? Wo lebt sie denn jetzt?«
»Nicht weit von hier.«
»Wie bitte?« Margot lenkte den Wagen auf die Ausfahrt Darmstadt.
»In deiner Stadt, Margot. Sie lebt in Darmstadt.«
»Paula Trizzi lebt in Darmstadt?«
»Ja und nein. Sie lebt in Darmstadt. Aber sie hat einen anderen Namen. Sie hat in Amerika ihren Vornamen geändert. Und sie trug zuletzt den Familiennamen ihres Exmannes.«
»Also, wie heißt sie denn jetzt? Dann kann ich mich ja mal mit ihr unterhalten.«
»Ich habe sogar die Adresse.« Margot konnte Nicks breites Grinsen sehen, weil sie schon wieder zu ihm hinüberschaute.
»Also?«
»Aschaffenburger Straße.«
»Und der Name?«
»Judith Reichenberg.«
Als Nick den Namen der Hexenexpertin genannt hatte, war Margot zusammengezuckt. Damit hatte sie nicht gerechnet.
Offensichtlich wusste auch Paula Trizzis Mutter nicht, dass ihre Tochter seit sechs Jahren unter einem anderen Namen keine vierzig Kilometer von ihr entfernt lebte.
Nun, man konnte Judith Reichenberg vorwerfen, was man wollte. Aber sie hatte ein Recht darauf, dass der oder die Täter von damals gefunden wurden. Denn diese Vergewaltigung war definitiv nicht ihrer Phantasie entsprungen. Vielleicht würde es ihr helfen, ihren Seelenfrieden wiederzufinden.
Als sie Nick im Hotel abgesetzt hatte, war der ganz erstaunt gewesen von dem Fest, das mitten in der Stadt gefeiert wurde. Von seinem Zimmer im siebten Stock aus konnte er das Riesenrad sehen. Margot hatte ihm erzählt, dass dies der letzte Tag des Festes sei – und dass es um zehn ein großes Feuerwerk geben würde.
Nick hatte gesagt, er würde es gern mit Margot gemeinsam ansehen, er brauche vorher aber ein paar Stunden Schlaf. Margot versprach, ihn gegen neun Uhr abzuholen.
Sie beschloss, den frühen Abend noch zu nutzen. Sie konnte zu Judith Reichenberg fahren. Vielleicht würde sie ihr nun etwas erzählen, was sie bislang noch niemandem erzählt hatte. Nach Wuttkes Bericht war es äußerst zweifelhaft, dass die vier die Vergewaltigungstäter waren. Dennoch wollte Margot die Aufklärung des Falles vorantreiben. Wie sie am Vormittag erfahren hatte, waren die Asservate von damals noch vorhanden. Margot hatte bereits veranlasst, dass die biologischen Spuren nach Wiesbaden zum LKA gebracht wurden. Vielleicht würde es ja einen Treffer geben – entweder doch bei einem von der Viererbande oder bei jemand anderem.
Sie stieg in ihren Mini und fühlte sich voller Energie. Es war schon ganz schön blöd, dass das Auftauchen eines sympathischen Kerls solch einen Powerschub hervorrufen konnte. Und auch wenn Margot nicht mit Nick durch Europa reisen würde – ein gemeinsames Wochenende in Venedig oder Paris wäre doch nicht zu verachten. Und Margot wusste ganz sicher, dass sie dann nicht in getrennten Zimmern übernachten würden. Komisch, wie klar die Dinge manchmal sein konnten. Nur einen Tag zuvor hatte sie noch völlig planlos, in Selbstmitleid badend, auf der Couch gesessen, und nun schien sich alles von selbst zu fügen.
Sie gab die Adresse ins Navi ein. Der Weg war der gleiche wie zu der Menhiranlage. Aber Margot wusste nicht, an
Weitere Kostenlose Bücher