Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
behaupteten, es gäbe eine Stadt Bielefeld, die es in Wirklichkeit nicht gab. Urheber der Bielefeldverschwörung waren wahlweise die CIA, der Mossad oder Außerirdische, die ihr Raumschiff als Universität getarnt hatten.
Margot zog es vor weiterzurühren. Das würden die bestgerührten Nudeln Darmstadts werden. So es denn diese Stadt gab.
»Ich weiß, dass du mir nicht glaubst«, fuhr Doro fort. »Das liegt aber nicht daran, dass ich nicht recht habe, sondern daran, dass du die Quellen, die das wissenschaftlich belegen, nie gelesen hast.«
Seit Doro nach ihrer Ausbildung als Kinderkrankenschwester in der Buchhandlung Steiner zu arbeiten angefangen hatte, einer kleinen Buchhandlung mit großer Frauenabteilung, wusste sie zu allen Themen immer alles ganz genau zu belegen. Löblich, wenn man wissenschaftlich arbeitete. Arglos, wenn man die Quellen nicht hinterfragte.
Die Nudeln waren al dente, die Soße war eine einfache Fertigsoße, die Margot in der Mikrowelle aufgewärmt hatte.
Doro hatte inzwischen den Tisch gedeckt, Margot tat beiden auf. »Ein Glas Wein?«
»Ich trinke doch keinen Alkohol mehr.«
Stimmt. Doro hatte das schon mehrfach betont. Margot öffnete eine Flasche Plaimont Le Tapie, goss sich ein Glas ein und setzte sich Doro gegenüber. »Und warum dann ausgerechnet im Naturschutzgebiet?«
»Das ist ein heiliger Ort. Früher war dort ein geschlossener Steinkreis. Auch heute strahlt dieser Ort noch eine unglaubliche Energie aus. Unsere Ahnen haben dort schon ihre Rituale abgehalten. Und das ist kein Zufall.«
Essen statt Rühren war auch ein adäquates Mittel, um sich inadäquate Bemerkungen zu verkneifen.
»Und wie nennt sich das, was du da machst? Das heißt ja sicher nicht ›Hexen für Anfänger‹, oder?«
Anstatt zu antworten, stand Doro auf.
»He, was habe ich denn jetzt schon wieder …?«
»Nichts. Ich hole nur etwas.«
Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Es war für Margot inzwischen zum Reflex geworden, die Schuld bei sich zu suchen.
Eine halbe Minute später legte Doro eine Zeitschrift vor Margot auf den Tisch. Luise nannte sie sich. »Von Darmstädter Frauen für Darmstädter Frauen.«
Wicca – Die neuen Hexen stand als Titel darunter.
»Seite zehn«, sagte Doro nur. »Da steht alles, was man wissen muss.«
»Wie lange bist du schon in diesem – Verein?«
»Es ist ein Coven. Sie haben mich vor einem halben Jahr aufgenommen.«
Margot war nun doch neugierig, wie es in so einem modernen Hexenverein zuging. Sie würde es in der Zeitschrift nachlesen. Sie wollte nicht zu aufdringlich wirken, nun, da sie und Doro gerade wieder in einen Dialog gefunden hatten. Aber eines wollte sie doch noch wissen: »Wie lange sind Angelika Sacher und Gerhard Weller schon dabei?«
»Gerhard ist einer der Priester. Angelika war schon da, als ich dazukam.«
Doro hatte ihre Nudeln bereits gegessen. »Kann ich kurz deinen Wagen haben?«
»Wozu?«
»Kann ich?«
Doro musste es nicht sagen. Margot wusste, dass sie noch einmal zu den Steinen fahren würde. Sei es drum. Die Natur im Naturschutzgebiet würde ein oder zwei Fußstapfen mehr in der Nacht auch noch vertragen. Margot stand auf und warf Doro den Schlüssel zu. Vertrauensbildende Maßnahme. »Morgen um sieben brauch ich den Wagen wieder.«
»Geht klar. Und – danke.«
Margot nickte nur.
Dann war Doro aus dem Haus.
Und Margot war wieder allein.
Sie stellte die Teller in die Spülmaschine, goss sich noch ein Glas Wein ein und nahm Glas und Zeitschrift mit ins Wohnzimmer.
Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und schlug die Zeitschrift auf. Sie kannte die Luise , die es inzwischen schon zwanzig Jahre lang gab. Sie hatte zwar kein Abonnement, hatte aber immer mal wieder eine Ausgabe gekauft.
Sie begann, den Artikel zu lesen. Wie Doro bereits gesagt hatte, spielten bei den neuen Hexen Energien eine Rolle. Energien, die man lenken konnte, durch Rituale. Das nannte sich dann Magie.
Sie hatte in ihrem Leben nur einmal den Eindruck gehabt, dass ein Ritual irgendeine Wirkung auf sie gehabt hätte. Das war jenes Ritual gewesen, das sie mit Rainer vollzogen hatte. Nein, nicht das auf dem Standesamt. Das in der Kirche. »In guten wie in schlechten Zeiten« – sie hatte es damals gefühlt. Energie, würde Doro jetzt sagen. Wahrscheinlich. Irgendetwas, was viel stärker war und viel mehr Bedeutung hatte als nur die Worte.
Vielleicht hatte die Kleine ja recht, auf ihre Weise.
Margot überflog die Worte des Artikels. Sie zogen
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