Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
und zog zwei Zehn-Euro-Scheine und einen Fünfer heraus. Legte sie auf Horndeichs Schreibtisch.
Der griff danach und verstaute sie in der eigenen Brieftasche.
»Und – wie geht es jetzt weiter?«
»Ich sitze gerade über der Akte Wölzer – die Kollegen in Marburg haben alles geschickt. Marlock schaut sich das an, was wir über Emil Sacher haben. Und du könntest dich mal um Herrn Hansen aus Hamburg kümmern. Um vier setzen wir uns zusammen und schauen, ob wir irgendwelche Gemeinsamkeiten finden. Wölzer hat übrigens auch in Darmstadt studiert, etwa zur selben Zeit wie die beiden anderen.«
»Architektur?«
»Ja. Ich weiß, das ist ganz was anderes als Maschinenbau oder Wirtschaftswissenschaften. Damals waren, glaube ich, so um die sechzehntausend Studenten an der Uni in Darmstadt.«
»Okay, dann werde ich mir Hansen mal zur Brust nehmen.«
Horndeich setzte sich an seinen Schreibtisch und öffnete nach und nach die Dateien, die Hamburg ihnen elektronisch zum Fall Till Hansen geschickt hatte. Zunächst sah sich Horndeich die Fotos des Opfers an. Die Leiche war in einer kleinen Grünanlage abgelegt worden. Hansen lag auf dem Bauch, das Gesicht nach unten gerichtet. Die Wunden auf dem Rücken sahen nicht wirklich appetitlich aus. Die Haut war dunkelrot verfärbt.
Die Kollegen in Hamburg hatten gemeinsam mit der Gerichtsmedizin ermittelt, dass Hansen sich vor seinem Tod entkleidet hatte oder entkleidet worden war. Dann hatte er einen Schlag auf den Schädel bekommen. Der Winkel ließ darauf schließen, dass Hansen zu diesem Zeitpunkt am Boden gelegen hatte. Auch an diesem Leichnam hatte es Fesselspuren von Kabelbindern gegeben. Die Folterspuren auf dem Rücken waren mehrere Stunden nach Eintritt des Todes zugefügt worden. Anhand der Leichenflecken war klar gewesen, dass der Tote zuvor eine ganze Weile auf dem Rücken gelegen hatte. Und dass er sicher mindestens vierundzwanzig Stunden, bevor er gefunden wurde, umgebracht worden war. Dubios, dubios.
Dann las Horndeich etwas, das ihn aufmerken ließ. Er blätterte durch das ganze Dokument. Fünf Minuten später sagte er: »Margot?«
Die Angesprochene schaute nicht auf ihren Bildschirm. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt und starrte aus dem Fenster. Irgendwo zwischen ihren Augen und der Glasscheibe sah sie wohl gerade ihren ganz persönlichen Film auf der Kopfkino-Leinwand. Und das schien keine Pilcher-Romanze zu sein.
»Margot!« Ein bisschen lauter diesmal.
Seine Chefin zuckte zusammen. »Ja?«
»Was macht der Fall Wölzer?«
»Sorry.«
In letzter Zeit fiel Horndeich immer öfter auf, dass Margot gänzlich in Gedanken versunken war. Er begann, sich ein wenig Sorgen zu machen. Vielleicht bräuchte sie einfach mal einen Vier-Wochen-all-inclusive-Karibik-Urlaub, einschließlich gut aussehendem Salsalehrer und Personal Guide. Nein. Lieber nicht. Das würde dann vielleicht die nächste Katastrophe heraufbeschwören.
»Dieser Hansen – er war auch zwei Wochen verschwunden, bevor er tot aufgefunden wurde. Und wie bei Sacher gab es dafür keine Erklärung.«
»Das nenne ich einen relevanten Zusammenhang.« Der Vorhang vor der Kopfkino-Leinwand war gefallen, die Dolby-Surround-Anlage ausgeschaltet – Margot war wieder auf Empfang. »Wo war das Handy?«
»Nach seinem Verschwinden noch drei Tage eingeloggt, ohne eingehende oder abgehende Anrufe. Sie haben das Teil nicht gefunden. Aber es sieht so aus, als ob es in irgendeine Ritze gefallen und dann irgendwann der Akku in die Knie gegangen ist. Die Kollegen haben ganz schön Aufwand getrieben und die Telefonanbieter gelöchert, ob das Handy mit einer anderen SIM-Karte danach noch benutzt worden ist. Fehlanzeige.«
»Wann ist Hansen verschwunden?«
»Am Freitag, dem 30. März. Gefunden wurde er dann am Sonntag, dem 15. April. Gestorben ist er wahrscheinlich am Tag zuvor.«
»Und – hatten die Kollegen jemanden in Verdacht?«
»Ja und nein. Er war nicht verheiratet, seine Eltern leben nicht mehr, er hatte wohl zu dem Zeitpunkt auch keine Freundin. Sein älterer Bruder Jonne schien die einzige regelmäßige Bezugsperson zu sein. Der Bruder hat geerbt – aber er hatte auch zuvor genügend Geld. Die beiden hatten die Reederei ihres Vaters übernommen, als der starb. Der Bruder hatte für das Wochenende, an dem Till Hansen umgebracht und abgelegt wurde, ein Alibi. War ununterbrochen mit seiner Familie zusammen. Und zu der Zeit seines Verschwindens war er definitiv in der Firma.«
Ȁrger mit der
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