Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Ich habe allmählich Hunger.«
»Gern. Bleiben wir hier?«
Margot sah auf das Schiff und lachte: »Ja, bleiben wir hier.«
Sie fanden einen freien Tisch im Restaurant, bestellten eine Flasche Wein und eine Flasche Wasser. Margot entschied sich für eine gemischte Fischplatte – passte zum Ambiente. Karlsson bestellte nur einen Salat für sich.
»Till Hansens Bruder Jonne – er sagt, dass wohl niemand aus dem geschäftlichen Umfeld für den Tod verantwortlich war«, brachte Margot wieder die Sprache auf den Fall.
»Da hat er sicher recht. Zumindest hat sich nichts anderes ergeben. Das Finanzamt hat der Firma ja ein paarmal auf den Zahn gefühlt – ohne irgendwelche Unregelmäßigkeiten zu finden. Wir haben mit den leitenden Angestellten gesprochen: nichts. Wir haben mit Geschäftspartnern gesprochen: nichts. Wir haben mit den Kollegen von der ›Organisierten Kriminalität‹ gesprochen: Sie erraten es schon: nichts.«
Margot hörte die Töne der deutschen Nationalhymne und schaute auf den Fluss. Ein Containerschiff kam vom Hamburger Hafen.
»Ein Schiff der Reederei ›Hansen und Söhne‹. Deutsche Flagge. Nicht gerade der Standard bei deutschen Schiffen. Aber auch was das angeht, machen ›Hansen und Söhne‹ viel richtig …«
»Da scheint ja bald ein Glorienschein fällig zu sein.«
»Das nicht. Hansen ist bekannt dafür, weniger zu zahlen als die Konkurrenz. Hansen ist aber auch bekannt dafür, dass sie in der Krise ihre Leute nicht einfach auf die Straße gesetzt haben und mit Kurzarbeit fast ohne Entlassungen diese Zeit bewältigen konnten.«
»Okay, die Geschäftsschiene hat also kein Motiv gezeigt. Was ist mit den Freundinnen von Till Hansen? Jonne deutete an, da habe es dann doch ein paar gegeben.«
Karlsson grinste. »Ja. Allein in den vergangenen Jahren so an die zehn Frauen, mit denen er zusammen war. Wenn auch nur kurz. Wir haben mit allen gesprochen. Alle sind von ihm abserviert worden, nie war es umgekehrt. Alle sind Opfer der Nachfolgerin geworden, da war ein klares Schema erkennbar. Aber auch da war nichts, was auf ein Mordmotiv hingedeutet hätte. Er scheint all seinen Frauen den Abschied vergoldet zu haben. Die, die am meisten Galle gespuckt haben, haben wir nach einem Alibi befragt. Ebenso die ganz Verständnisvollen.« Karlsson seufzte. »Letztlich alle. Aber auch an dieser Front war nichts zu holen gewesen.«
Die Bedienung servierte das Essen. Karlsson schenkte Margot Wein nach, er selbst hielt sich an einem Glas fest und trank ansonsten Wasser. Margot überlegte schon, ob Karlsson sie betrunken machen wollte. Sie warf einen kurzen Blick vom Flaschenhals, der über ihrem Glas schwebte, zu seinem Gesicht.
»Nein. Aber ich muss noch fahren«, beantwortete er lächelnd die Frage, sodass Margot kurz überlegte, ob sie sie etwa doch laut gestellt hatte.
»Also gar nichts?«
»Nein, bislang absolut nichts. Es klingt pervers, aber ich habe mich gestern wirklich über den Anruf Ihres Kollegen gefreut. Denn das zeigt, dass es offenbar noch Optionen gibt, auf die wir so gar nicht kommen konnten. Welche Verbindung haben Sie zwischen den Taten herstellen können?«
»Bislang nur, dass beide in Darmstadt studiert haben und beide postmortal verletzt worden sind, wie ich schon gesagt habe. Und sie wurden nackt gefunden.«
»Tja, das klingt für mich nach: Finden Sie den Zusammenhang, und Sie finden das Motiv und damit den Täter.«
Margot nickte, nahm ihr Glas und hob es: »Ja, darauf wird es hinauslaufen. Auf die Gemeinsamkeiten.«
»Darauf trinke ich gern«, sagte Karlsson, stieß mit ihr an, und das verschmitzte Lächeln zeigte, dass man Margots Toast auch anders interpretieren konnte.
Margot lenkte das Gespräch auf Karlssons Heimatstadt Hamburg und ließ sich ein paar Anekdoten zur Stadtgeschichte erzählen. Karlsson war ein vortrefflicher Erzähler. Und es war angenehm, sich einfach von seinen Geschichten berieseln zu lassen, ohne nachdenken oder etwas über sich selbst preisgeben zu müssen. Zwar stellte Karlsson auch Fragen, doch die bezogen sich meist auf Margots Heimatstadt, die Stadt im Binnenland, ohne Fluss, ohne Meer.
Mit einem Mal bemerkte Margot, dass es dunkel geworden war. Sie sah auf die Uhr: Es war kurz nach zehn. Und ohne dass es ihr wirklich bewusst geworden war, war viel Sand durch die Uhr geronnen. Und viel Wein durch ihre Kehle.
»Herr Karlsson – könnten Sie mich jetzt bitte ins Hotel fahren?«
Karlsson nickte. »Selbstverständlich.« Er erhob
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