Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Kroatia-Platte für zwei Personen. Sandra ein Rumpsteak. Und Horndeich entschied sich für gegrillten Schafskäse, der unter der Rubrik »Vorspeisen« stand. Was zum Makel wurde, da Horndeich keine Hauptspeise mehr orderte. Worauf sich eine Diskussion über gesunde Ernährung ergab, aus der Horndeich sich weitgehend heraushalten konnte.
Es dauerte nicht lange, dann wurde das Essen serviert. Horndeich war mit seinem Schafskäse natürlich am schnellsten fertig. Weshalb er der Kleinen das Fläschchen gab, als diese aufwachte und nach Nahrung verlangte. Wie Horndeichs feines Näschen wahrnahm, war da auch unlängst Platz geschaffen worden in dem kleinen Bauch. Also griff er nach der Wickeltasche und verschwand mit Tasche und Töchterchen.
Auf dem Weg zu den Toiletten kam er an einer Reihe Fotos vorbei. Offensichtlich hatten die Besitzer ein paar Fotografien aus der jüngeren Geschichte Büttelborns aufgehängt.
Dann stellte Horndeich fest, dass der Wickeltisch sich in der Damentoilette befand. Jetzt hatte er ein Problem. Oder auch nicht. Er trat vor die Toilettentür mit dem Piktogramm einer Frau und klopfte lautstark. Keine Reaktion. Also denn. Er betrat den Raum. Gleich links befand sich eine Nische mit Wickeltisch. Er legte Stefanie dort ab.
Natürlich öffnete sich Sekunden später die Tür. Eine dunkelhaarige Schönheit um die vierzig schaute herein. »Oh, sorry«, sagte sie, und die Tür schloss sich wieder. Horndeich musste kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass sie sich drei Sekunden später wieder öffnen würde.
»Hallo? Ich glaube, Sie sind falsch hier!« Die Stimme war fest und drückte den gesamten Unmut der Frau aus. Stefanies Stimme war ebenfalls fest, als sie anfing, munter draufloszuplappern. Vielleicht wollte sie sich ja mit ihrer Geschlechtsgenossin unterhalten.
Horndeich wandte sich um: »Entschuldigen Sie bitte, aber das geht nur hier.«
Die Dame schaute Horndeich über die Schulter und gurrte: »Och, ist die aber süß!« Mit gänzlich entspanntem Tonfall sagte sie danach: »Ich werde dann mal Schmiere stehen.«
Hatte sie Horndeich wirklich zugeblinzelt?
Als der den Kampf mit den Windeln der neuen, unvertrauten Marke endlich gewonnen hatte und den Raum wieder verließ, unterhielten sich vor der Toilette drei Frauen. Über Babys, wenn Horndeich es richtig verstand. Er bedankte sich, dann ging er mit der munter weiterplappernden Stefanie wieder in Richtung Ausgang. Sein Blick fiel abermals auf die Bilder an der Wand. Er dachte, ein kleiner Museumsspaziergang entlang der Galerie würde ihm draußen vielleicht ein wenig Konversationszeit ersparen. So betrachtete er ausgiebig ein Foto des kleinen Weihnachtsmarkts, darauf ein Stand der Kinderhilfe Gomel . Horndeich kannte kein Gomel und fragte sich, ob das wohl so was wie »Bethel« war. Dann das Bild eines Faschingsumzugs und das eines Weinfests des lokalen Sportvereins. Schließlich das Bild der Kerweborsche . Einer Gruppe junger Männer mit schwarzen Schuhen und Hosen, weißen Hemden und umgehängten roten Bändern. Kurz blieb Horndeichs Blick an diesem Bild hängen.
Dann fiel der Groschen.
Er würde Sandra die Kleine in die Hand drücken.
Denn er musste sofort aufs Revier.
Er hatte den Zusammenhang gefunden, nach dem sie gesucht hatten.
Die Nacht war anders verlaufen, als Margot es sich vorgestellt hatte. Karlsson war auf sie zugekommen, hatte ihr einen formvollendeten Handkuss gegeben und gesagt: »Danke für den schönen Abend.« Dann hatte er ihr eine gute Heimreise gewünscht und war in sein Auto gestiegen und davongebraust.
Margot hatte zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, ob ihr dieser Abschied gefallen hatte. Oder nicht. In ihrem Hotelzimmer hatte sie die Minibar geöffnet. In vino veritas, hatte sie gedacht und das Rotweinorakel befragt. Zumindest in der 0,2-Liter-Variante.
Die Zugfahrt von Hamburg nach Hause hatte Margot Nerven gekostet. Zunächst hatte ein renitenter Handytelefonierer darauf bestanden, seine Lebens- und Leidensgeschichte in Konzertlautstärke zu verbreiten. Erst als der Zugchef ihm – nach zwei leisen Versuchen – ebenfalls mit erhobener Stimme klargemacht hatte, dass er das Telefonieren in der Ruhezone zu unterlassen habe, hatte Margot eine halbe Stunde dösen können. Bevor die Familie mit den drei Kindern den Großraumwagen im Sturm erobert hatte.
Kaum war sie wieder zu Hause angekommen, war ihr die Decke auf den Kopf gefallen. Sie war eine Runde spazieren gegangen, in Richtung Oberfeld – und hatte
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