Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
kommunikative Typ. Er macht die Dinge mit sich selbst aus. Wenn er jemandem etwas Persönliches erzählt, dann sind für ihn alle Entscheidungen bereits getroffen. Deshalb habe ich seine Beichte, dass er eine Geliebte habe, alles andere als leichtfertig abgetan.«
»Kennen Sie seine Freunde?«
»Welche?«
»Die aus seiner Studienzeit. Emil Sacher, Richard Wölzer und Till Hansen.«
»Emil Sacher? Das ist doch der, den sie vor ein paar Tagen aus dem Woog gefischt haben?«
»Ja.« Horndeich schwieg. Denn seine ursprüngliche Frage war ja noch nicht beantwortet.
»Die beiden anderen Namen – die kenne ich nicht. Wie haben die mit Philipp zu tun?«
»Wissen Sie, dass er ein Mitgl…«, Horndeich verbesserte sich selbst augenblicklich, »ein Bundesbruder in der Burschenschaft Ludovica ist?«
»Ich weiß, dass er in einer Verbindung ist. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass sein Anschluss dahin eher lose war. Ich hatte auch den Eindruck, dass es dort nicht wenige Konflikte gegeben hat. So seit sechs Jahren hat er gar nichts mehr davon erzählt.«
»Hat er heute keinen Unterricht gehabt?«
»Hätte er. Er hätte die erste bis vierte Stunde gehabt. Zwei in Physik, zwei in Reli. Und diesmal hat er sich nicht vorher abgemeldet.«
»Was nicht normal ist?«
»Nein, das ist nicht normal. Ich habe versucht, ihn auf dem Handy zu erreichen, habe aber nur die Mailbox erreicht. Nun – kurz darauf haben Sie angerufen.«
»Und – haben Sie eine Vorstellung, wo er sein könnte?«
»Ach – ich wünsche ihm als Freund, dass er mit seiner Maus einfach abgehauen ist, sechs Wochen genießt und dann auf allen vieren zurückgekrochen kommt. Wissen Sie – Midlife-Crisis, das ist das passende Wort, das mir zu Philipp im Moment einfällt.«
»Gab es dafür irgendwelche Gründe?«
»Herr Horndeich, wenn wir eigentlich ein gutes Leben führen, machen wir uns dann die Gründe nicht selbst?«
»Also ist er getürmt?«
»Ich glaube schon. Er wird in ein paar Wochen wieder auftauchen. Voller Scham und Reue. Aber er wird wieder auftauchen.«
Linsensuppe mit Spätzle und Saitenwürstchen. Offenbar hatte Alex unter den Kunden im Vis à Vis einen Vollblut-Schwaben, dem sie ab und an mal eine kleine Freunde machen wollte. Anders konnte sich Margot nicht erklären, wie es dieses Gericht auf die Speisetafel geschafft hatte.
Sie bestellte sich diese Suppe, Doro war mehr nach Hühnchencurry mit Reis.
Es war Zeit für Frieden, dachte Margot. Doro war schließlich achtzehn. Sie musste wissen, was gut für sie war und was nicht. Und was nicht gut für sie war, würde sie ohnehin nur durch eigene Erfahrung lernen. Margot überlegte kurz, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn sie sich an das gehalten hätte, was ihre Mutter ihr an Tipps mit auf den Weg gegeben hatte, oder an die weisen Ratschläge ihres Vaters. Hätte sie dann in erster Ehe vielleicht keinen Alkoholiker geheiratet. Und in zweiter Ehe keinen Egozentriker? In ihre eigenen Gedanken vertieft, bemerkte sie zunächst nicht, dass Doro gar nichts sagte, sondern sie nur ansah.
Alex brachte die Suppe, das Curry und die Flasche Wasser. »Heute mit der Tochter statt dem Kollegen?«, fragte sie gut gelaunt, als sie die Gerichte und das Wasser abstellte.
Die gute Laune war eigentlich angebracht: Die Sonne schien, der Tag war nicht mehr schwül, eine leichte Brise machte die Wärme angenehm.
»Ja«, sagte Margot gleichzeitig mit Doros »Nein«.
Alex hob eine Augenbraue. Dann ging sie.
Margot sah Doro an. Sie erwartete einen feindseligen Blick, aber Doro lächelte nur. »Danke«, sagte sie. Und wenn das ironisch gemeint war, dann fiel es Margot nicht auf.
Margot nahm einen Löffel Suppe mit einem Stück Wurst.
Auch Doro aß die ersten Bissen schweigend. Das kannte Margot nicht von ihr. »Was ist los? Hast du was auf dem Herzen?«
Doro starrte auf das Curry, sagte nichts. Dann sah sie auf. Schwieg aber weiter.
Okay, da war was im Busch.
Dann sagte Doro: »Ich habe ihn heute früh getroffen. Mit Rhonda.«
Margot ließ den Löffel nicht fallen. Was aber nicht an ihrer hervorragenden Körperbeherrschung lag, sondern daran, dass sich der Löffel gerade in der Suppenterrine befand. Margot sah Doro an, aber sie sagte nichts. Irgendwie schien der Scrabble-Beutel mit all den Buchstaben für eine gelungene Konversation heute seltsam leer. Margot schob einen Löffel Suppe in den Mund, mit drei Wurststückchen, denn dann musste sie kauen. Und lief nicht Gefahr, all das auszusprechen,
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