Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
wollte allein sein. Immer wieder spürte sie, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Margot riss sich zusammen. Aber Doros Worte klangen immer wieder in ihrem Kopf nach. Zuerst hatte sie sie einfach als altklug abgetan. Und war entsetzt gewesen, wie sich das Mädchen so herablassend hatte verhalten können. Doch mit jeder Minute, die verging, war Margot immer deutlicher geworden, dass die Dinge noch viel, viel schlimmer waren: Das Küken hatte mit der Souveränität einer Erwachsenen reagiert.
Okay, es war an der Zeit, Bernd einzuschalten, befand Horndeich. Bernd Riemenschneider war der Computerexperte im Präsidium. Er hatte den Job vor Jahren von Sandra übernommen, die zuvor die Herrscherin über Bits und Bytes bei ihnen gewesen war. Horndeich hatte sich anfangs schwergetan mit Bernds etwas komplizierter Art. Doch inzwischen schätzte er den Kollegen sehr.
Horndeich nahm die Kaffeetasse mit und begab sich ins Reich des Computerfreaks. Der saß in seinem Büro, in dem besonders die riesigen Monitore ins Auge fielen. Einer davon war größer als Horndeichs Fernseher – und das wollte etwas heißen. Das Büro erinnerte ihn immer an die XXL-Version von Sandras Arbeitszimmer. Klar hatte Horndeich darin auch seinen Laptop untergebracht, schon allein, damit sich der kleine Computer nicht so allein fühlte. Sandra hatte nach wie vor fünf Rechner, einen von Apple, einen mit Linux, ein Tablet … Gemeinhin waren es ja eher die Männer, die einen Hang zu technischem Spielzeug hatten. Aber in ihrer Ehe war ganz eindeutig Sandra der Technikprofi. Wenn Horndeich auch nicht mehr ganz der digitale Analphabet war wie noch vor wenigen Jahren. Falls sie noch einen Sohn bekommen würden – er würde seine Mutter dafür lieben, dass er Netzwerk-Partys schmeißen konnte, ohne dass die Kumpels die eigenen Rechner mitbringen mussten.
»Hast du ein paar Minuten für mich?«, fragte Horndeich nun den Kollegen.
»Was brauchst du?« Bernd Riemenschneider drehte sich auf seinem Bürostuhl um und sah Horndeich direkt an. Riemenschneider war größer als Horndeich, von der Figur her ein kräftiger Athlet, vom Gemüt her eher ein Bär. Letzteres wurde auch äußerlich unterstrichen, seit er sich den Vollbart stehen ließ und seine Liebe zu Karohemden entdeckt hatte.
»Inzwischen haben wir drei andere Männer, die mit unserem Toten Emil Sacher zu tun hatten. Die kannten sich alle seit dem Studium. Und wir gehen davon aus, dass ihr Tod mit irgendwas zu tun hat, was alle vier verbindet. Es gibt noch einige Lücken in den Lebensläufen. Und ich würde jetzt gern von dir wissen, ob wir mit deinen tollen Kisten hier kurzfristig ein paar der Lücken schließen können.«
»Klar. Können wir.«
»Und wie?«
»Du weißt doch, die Polizei, dein Freund und Helfer.«
»Schon klar. Und du meinst, du kannst mir jetzt freunden und helfen, etwas über die Jungs rauszubekommen?«
»Wir sind der Freund von jedem«, meinte Riemenschneider, »ob er will oder nicht.«
»Ich versteh dich nicht ganz«, sagte Horndeich.
»Facebook«, stellte der Kollege knapp fest.
Horndeich war nicht bei Facebook präsent. Er mochte einfach keine Freunde, die er im echten Leben nicht sehen konnte. Und die er nicht persönlich regelmäßig traf. So wie Hendrik. Mit dem ging er immer wieder mal ein Bierchen trinken, im Green Sheep, seit er neben Hefeweizen auch Guinness vom Fass hatte schätzen lernen. Sandra war bei Facebook. Und sie übernahm die schriftliche Bekanntenpflege via Internet. Wenn es irgendetwas Interessantes gab, teilte sie ihm das mit. Das nannte Horndeich effizientes News-Management.
»… und StayFriends.«
Auch davon hatte Horndeich schon gehört. Diese Plattform, auf der man sich mit ehemaligen Klassenkameraden in Verbindung setzen konnte. So was Ähnliches wie Facebook, nur eben bezogen auf Schulen und Jahrgänge. »Und dort finden wir die Infos, die uns noch fehlen?«
»Ja. Und vielleicht auch noch bei Google Plus. Und bei Xing.«
»Xing?«
»Facebook für Berufstätige.«
»Und Google Plus?«
»Facebook für Google-Fans. Auch wenn Google das nicht gern hört.«
»Na, dann leg mal los.«
»Nimm dir einen Stuhl.«
Horndeich tat, wie ihm geheißen. Er setzte sich auf einen freien Bürostuhl und rollte neben Bernd, der inzwischen vor einem anderen Monitor und einer anderen Tastatur saß.
»Gut. Dann lass mal hören. Wie heißt die Nummer eins?«
»Till Hansen. Aus Hamburg. Jahrgang 72.« Horndeich reichte Bernd den Ausdruck mit den
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