Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
was ihr gerade durch den Kopf schoss.
»Er hat mir das erzählt mit dem Bier.«
War ja klar, dass er sofort seine Tochter da mit reinzog. Dass er sie auf seiner Seite haben wollte. Dass er sich im Recht fühlte, mit seiner Trulla durch Darmstadt zu flanieren.
»Das war nicht richtig«, sagte Doro in leisem Ton – und sah in Richtung ihres Tellers.
»Weißt du was?«
Doro sah nicht auf.
»Ich glaube nicht, dass es dir zusteht, diese Situation zu beurteilen.«
Doro sah auf, Fragezeichen in den Augen.
»Genau, schau du nur. Es steht dir nicht zu. Dein Vater, der, wie du ja selbst weißt, echt kein Kommunikationsgenie ist, wenn es um zwischenmenschliche Dinge geht, er macht sich vom Acker, schlägt sein neues Zuhause in Amerika auf. Dann hat er für nichts mehr Zeit, nicht für dich, nicht für mich.«
Doro sagte nichts. Brauchte sie auch nicht. Denn jetzt war Margot dran. Deren verbale Lautstärke nun so anstieg, dass nicht nur Doro Zeugin ihrer Worte wurde, sondern auch die anderen Gäste, die an den Tischen saßen, alles glasklar hören konnten. »Dann vögelt dein Vater seine Assistentin. Und nun kommt er her, sagt dir vorher Bescheid – macht dann Sightseeing mit ihr in meiner Stadt – meiner , nicht seiner, nicht deiner und schon gar nicht die von dieser Schlampe! « Es gab noch eine Möglichkeit, die Lautstärke zu steigern, sodass nun auch die Clique in der Querstraße zuhören konnte, als Margot schrie: »Und du erzählst mir jetzt, dass es nicht richtig ist, dass ich ihm ein Bier ins Gesicht schütte?«
Margots Blick glitt zu ihrem Glas voller Wasser. Sie konnte den Impuls gerade noch unterdrücken, das Glas in Richtung Doro …
Dann erst bemerkte sie, dass alle Gespräche verstummt waren. Aller Augen waren auf sie gerichtet. Hatte sie gerade so sehr die Fassung verloren?
Sie hatte.
Auch Doro sah sie an. Margot sah die Tränen in ihren Augen. Doros Stimme war so leise, dass nur Margot ihre Worte hören konnte: »Das genau ist dein Problem, Margot. Deine Weltsicht ist so festgezimmert, dass du weder zuhörst noch nachfragst. Sondern immer erst lospolterst.«
Margot verstand nicht ganz, worauf Doro hinauswollte.
»Ich verzeihe dir, weil du sicher ziemlich durch den Wind bist, weil Rainer so aufgetaucht ist.«
Margot wollte etwas entgegnen, doch Doro hob nur ganz leicht die Hand und signalisierte, dass sie noch nicht fertig war. »Als ich sagte, das sei nicht richtig, da meinte ich nicht, dass du ihm das Bier ins Gesicht gekippt hast. Was ich dir sagen wollte, war, dass ich es unmöglich von meinem Vater finde, dass er weder dir noch mir gesagt hat, dass er hierherkommt. Dass er mit seiner Tussi auftaucht, ohne uns zumindest zu informieren. Dass du einfach recht gehabt hast. Das habe ich ihm auch gesagt. Auf Englisch, damit seine Rhonda es auch verstehen konnte. Und ganz leise. Denn wer die besseren Argumente hat, der braucht nicht rumzubrüllen. Vielleicht solltest du dir Hilfe holen, Margot. Sonst klappst du noch zusammen.« Eine Träne fiel in das Curry.
Doro stand auf, legte Margot kurz eine Hand auf die Schulter.
Dann verschwand sie, ohne sich umzudrehen.
Margot war sprachlos.
Löffelte in ihrer Suppe.
Konnte nicht begreifen, was da gerade passiert war.
Das Einzige, was sie begriff, war, dass sie Doro fürchterlich unrecht getan hatte.
»Was ist denn mit dir los?« Horndeich sah auf Margots rote Augen.
»Heuschnupfen. Was hast du rausgekriegt?« Margot wusste selbst, dass derzeit kaum Blütenstaub durch die Luft wehte. Aber sie wollte jetzt nichts erklären.
»Kaufmann ist verschwunden«, sagte Horndeich. »Ob freiwillig oder nicht, das ist noch nicht klar. Sein Auto ist auf jeden Fall weg.« Horndeich berichtete seiner Kollegin, was Kaufmanns Frau ausgesagt hatte. Danach schilderte er, was der Direktor von Kaufmanns Schule erzählt hatte.
»Und bei dir?«
Auch Margot gab kurzen Rapport über ihr Gespräch mit Ruth Steiner. Über das mit Doro schwieg sie. »Wir können also davon ausgehen, dass die drei Todesfälle miteinander zu tun haben.«
»Ja. Bleibt die Frage, welche Rolle Philipp Kaufmann spielt.«
»Nun, entweder keine, weil er sich mit seiner Geliebten abgesetzt hat«, schlug Margot vor.
»Oder er ist auch ein Opfer. Ist verschwunden und taucht in gut einer Woche tot wieder auf.«
»Oder er ist der Mann, der seine Freunde getötet hat. Und nun geflüchtet ist. Mit oder ohne Geliebte.«
»Aber was sollte da das Motiv sein?«
Margot sah auf die Tafel. »Fragen
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