Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Meter breiten Kleiderschrank.
Anzüge in zahlreichen Farbvarianten, von Schwarz über Anthrazit bis hin zu beigefarbenen Sommeranzügen, hingen in Reih und Glied, dazu die passenden Hemden und Krawatten.
Ganz rechts im Schrank stieß er auf eine Reihe Schubladen, darin Strümpfe, Unterhemden, T-Shirts und Unterhosen. In der zweitletzten Schublade befanden sich das Band und die Mütze der Ludovica. Und in der untersten Schublade fand er, wonach er gesucht hatte: ein grünes Band. Es glich einer edlen Borte, wie sie an Gardinen angebracht werden. Das Band war an den Enden mittels eines Druckknopfes verbunden. Daran war eine Plakette befestigt. Die Prägung zeigte ein Wappen. Darin ein stehender Löwe mit langer Zunge, ähnlich dem hessischen Wappentier. Offenbar hatte Petra Schöffer doch das entscheidende Detail richtig wahrgenommen. Hier lag ein starkes Indiz dafür, dass die versuchte Vergewaltigung in Heidelberg tatsächlich von den vier Ludovicen begangen wurde.
Als Horndeich später wieder in Richtung Präsidium fuhr, hielt neben ihm an der Ampel ein Wagen der Firma SecProtec. Es wurde Zeit, dass er eine Entscheidung traf.
Margot parkte ihren Mini vor dem Pick-up, der fast eineinhalb der beiden Kundenparkplätze vor der Buchhandlung einnahm. Die Beule in der Fahrertür war wirklich hässlich.
Doro ließ Margot den Vortritt, als sie die Buchhandlung betraten. Das wohlbekannte Klingeln des Glöckchens verkündete ihren Eintritt.
Ruth Steiner trat aus dem kleinen Büro heraus. »Ah, Frau Hesgart, was verschafft mir die Ehre?« Der Tonfall war sarkastisch. Erst als Ruth Steiner die verschüchterte Doro wahrnahm, schwang Irritation in ihrer Stimme mit: »Doro? Du hast doch heute früh gar keinen Dienst.«
»Frau Steiner …«, versuchte Margot das Gespräch einzuleiten.
Doch Doro konnte offenbar die Spannung, die in der Luft lag, nicht mehr aushalten. Sie trat vor Margot und brach in Tränen aus: »Ich habe deinen Wagen geschrottet! Er ist kaputt. Und ich weiß nicht, ob du versichert bist oder nicht oder ob ich das alles bezahlen kann und wie ich das bezahlen soll, und diese Scheißlaterne …«
Ruth war bleich geworden. »Wo ist der Wagen denn?«, unterbrach sie.
Während Doro schluchzte, sagte Margot: »Er steht vor der Tür. Die Fahrertür hat eine fette Delle. Der untere Rahmen vielleicht auch.«
»Aber der Wagen fährt?«
»Ja, Doro hat ihn ja gerade hergefahren«, sagte Margot.
Ruth verließ die Buchhandlung, und Margot und Doro folgten ihr.
Zuerst wurde Ruth Steiner noch bleicher, als sie den Wagen sah. Dann fing auch sie unvermittelt an zu heulen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Margot begriff, dass Ruth Steiner nicht weinte, sondern lachte. Doro und Margot sahen sich irritiert an. »Entschuldigen Sie, aber genau so hat der Wagen auf der anderen Seite ausgesehen, vor vier Jahren, als ich eine Straßenlaterne erwischt hatte.«
»Du auch?«
»Ja. Ich auch.«
Doros Schluchzen ging nun auch in ein Lachen über.
Fünf Minuten später saßen die drei Frauen im Büro der Buchhandlung. Ruth eröffnete, dass der Wagen natürlich nicht vollkaskoversichert war, also selbst verschuldete Schäden am Wagen nicht bezahlt wurden. »Bei dem Alter lohnt sich das nicht mehr.« Doros Gesichtsfarbe wurde wieder kalkweiß.
»Aber es gibt eine gute Nachricht: Mein Onkel hat eine kleine Autowerkstatt in Brensbach. Das ist bei Fränkisch-Crumbach. Da wohnt meine Familie. Ich muss am Wochenende sowieso dahin fahren. Dann frage ich ihn. Der kriegt das wieder hin. Und das kostet dann nicht mehr als das Material, das er braucht.«
Doro fiel ihrer Chefin um den Hals.
Margot musste schmunzeln. Fränkisch-Crumbach sagte ihr was. Wie oft war sie mit Rainer in die dortige Dorfdisco gefahren, das Red-Stone? Von Darmstadt aus dreißig Kilometer in den Odenwald – aber das war’s wert gewesen. Und es war lange her. Und Rainer war damals noch ein ganz anderer gewesen. »Wie kommt man als Buchhändlerin zu so einem Wagen?«, fragte Margot, um sich selbst abzulenken.
»Das ist ganz einfach: indem man den eigenen Wagen kaputt fährt. Und einem der Vater den Wagen günstig überlässt, den er ohnehin gerade abstoßen will.«
Margots Job war damit erledigt.
Als sie ging, sagte Doro leise: »Danke.«
»Passt schon.«
»Ich habe das grüne Band gefunden«, sagte Horndeich und hielt die Trophäe im durchsichtigen Plastikbeutel in die Höhe.
Margot saß sinnierend über einer Tasse Tee am Schreibtisch. Sie sah auf.
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