Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Sohn: »Hi Ma, wann kommst du uns mal wieder besuchen? Ben.« Sie lächelte.
Sieben Nachrichten von Rainer. Neun der neun Anrufe auch von ihm.
Das Lächeln verschwand.
Warum, zur Hölle, konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen?
Das fragte sich auch ihr Magen.
Eindringlich.
Gerade noch rechtzeitig riss Margot die Fahrertür auf.
MITTWOCH, 27. JUNI
Margot saß in ihrer Küche, hatte sich ein kleines Frühstück zubereitet: eine Scheibe Brot, bestrichen mit etwas Margarine. Auch wenn ihr Hunger etwa so ausgeprägt war wie der Wunsch nach Durchfall, wusste sie doch, dass sie etwas essen musste.
Vor ihr dampfte ein Nespresso-Kaffee. Mit zwei Löffeln Zucker. Ein halber Löffel gegen die Bitterkeit. Mal sehen, ob sie diesen Status in ihrem Leben jemals wieder erreichen würde.
Auch das Internetradio war gestern im Kaufrausch noch in der Klappbox gelandet. Sie hatte sich einen netten Klassiksender eingestellt und hörte das Klarinettenkonzert von Mozart. Sie mochte es sehr gern, besonders das Adagio. Das Konzert war das letzte Instrumentalstück, das Wolfgang Amadeus in seinem Leben komponiert hatte.
Margot hörte Geräusche im Flur. Vielleicht kam Doro. Vielleicht ging sie. Nun, die Küche würde sie sicher nicht betreten.
Doro betrat die Küche. »Morgen.«
Hoppla! »Guten Morgen.«
»Das soll ein Frühstück sein?« Doro ging zum Kühlschrank, stellte Käse, Wurst und zwei Konfitüregläser auf den Tisch. Dann fand sie auch den Hirtenkäse und Salami.
Sie ging zum Brotkasten. »Du auch noch eine Scheibe?«
»Nein, danke. Mein Magen zickt ein bisschen.« Margot hatte irgendwie das Gefühl, im falschen Film zu sitzen. Sie hatte ein Ticket für einen Horrorschocker gelöst und war unversehens in einem Pilcherfilm gelandet. Aber nachtragend war Doro nie gewesen.
»Neue Kaffeemaschine?«
»Ja. Gestern gekauft.«
Doro lächelte Margot an. »Du weißt schon, dass in jedem dieser Käpselchen mehr als ein Gramm Alu steckt? Man schätzt den Jahresverbrauch durch Nespresso auf sechstausend Tonnen Metallabfall. Das entspricht einem Schrotthaufen, der entstehen würde, wenn man den Eiffelturm zersägt.«
Doro drehte sich wieder um.
Noch bevor Margot Luft holen konnte, um zu einer Entgegnung anzusetzen, sah sie, wie Doro eines der Käpselchen in die Maschine steckte – und es sah nicht so aus, als ob sie das zum ersten Mal machte.
»Aber mit der richtigen Sorte schmeckt er halt schon nicht schlecht«, meinte sie und drückte auf die Start-Taste. Dann wandte sie sich wieder Margot zu, und diese konnte keinerlei Feindseligkeit in Doros Blick erkennen. »Kennst du dich aus in Versicherungen?«
Margot wurde hellhörig. »Warum?«
Doro schaute wieder zur Kaffeemaschine und sagte nichts. Als der Kaffee durchgelaufen war, nahm sie die Tasse und setzte sich an den Tisch. Sie schmierte sich ein Brot.
Margot genoss das Gefühl, dass Doro sie um Rat fragte und dafür sogar ihr ökologisches Gewissen hintenanstellte.
»Ich meine, so mit Autoversicherungen. Und mit Haftpflicht.«
»Hui, das scheint sich um eine sehr teure Frage zu handeln. Was ist denn passiert?«
»Also mal theoretisch: Wenn ich dein Auto gefahren habe, und dabei ist mir, sagen wir mal, ein kleines Malheur passiert. So was von ›echt dumm gelaufen‹. Hätte ich dann eine Versicherung? Haftpflicht oder wie das heißt?«
Margot konnte nicht umhin zu schmunzeln. Das fiel ihr leicht, denn sie wusste, dass Doro in der vergangenen Nacht nicht in ihrem Mini unterwegs gewesen war. Wessen Auto auch immer sie zu Schrott gefahren hatte, es war zumindest nicht ihres. »Ich fürchte, deine Haftpflicht übernimmt so was nicht. Die greift nicht für Schäden, die an geliehenen Gegenständen entstehen. Und die greift auch nicht für Schäden, die durch das Führen eines Autos entstehen.«
»Hab ich denn eine Haftpflicht?«
»Ja, dein Vater hat für dich eine abgeschlossen. Alle Unterlagen sind im Ordner in meinem Arbeitszimmer.« Als sie den Satz ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, dass eigentlich alles, was zur Organisation des täglichen Lebens ihrer Stieftochter gehörte und nicht in Doros Schrank weilte, in ihrem, Margots, Arbeitszimmer stand.
»Aber die zahlt nicht?«
»Was ist denn passiert, Doro?«
»Diese Scheiß-Straßenlaterne!«
»Wo? Wann? Und vor allem – mit welchem Wagen?«
Doro nahm einen großen Schluck Kaffee. »Heute Nacht. Ich hatte den Wagen auf der Straße bei Katja in die falsche Richtung geparkt. Und dann hab ich beim Ausparken
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