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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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wenig vorweisen. Galt hatte einen simplen Molotowcocktail benutzt – eine Glasflasche voller Benzin mit einem angezündeten Stofffetzen im Hals. Sie war gegen das vergitterte, aber offene Fenster geworfen worden, sodass das brennende Benzin ins Innere floss und dort die Gummi- und Plastikisolierung entzündete. Es handelte sich um eine Weinflasche – es gab kein Gewinde für einen Schraubverschluss. Sie stammte aus einer Glasfabrik, die Dutzende von Weingütern belieferte, welche wiederum Tausende von Einzelhändlern zu ihren Kunden zählten. Das Etikett war abgelöst worden. Die Flasche ließ sich unmöglich zurückverfolgen.
    Das Benzin war bleifreies Super von BP, und der Stofffetzen kam von einem T-Shirt. Nichts davon ließ sich mit einem bestimmten Ort in Verbindung bringen. In Galts Werkzeugtasche gab es allerdings eine Rundfeile mit Glasstaub, der zu der Flasche passte – sie war eingekerbt worden, damit sie auch wirklich zerbrechen würde.
    Weder außerhalb noch innerhalb des Umspannwerks gab es Überwachungskameras.
    Es klopfte an der Haustür.

    Thom ging hin, um zu öffnen. Gleich darauf kam Ron Pulaski herein und brachte das Material, das er in Galts Wohnung gesammelt hatte. Es war in mehreren Plastikkisten verstaut, und es gehörten sowohl der Bolzenschneider und die Bügelsäge dazu als auch ein Paar Stiefel.
    Na endlich, dachte Rhyme, einerseits verärgert über die Verspätung, andererseits erfreut über die Ankunft der Beweisstücke.
    Pulaski sah niemanden an und stellte mit ernster Miene die Kisten auf den Tisch. Da bemerkte Rhyme, dass die Hand des jungen Polizisten zitterte.
    »Grünschnabel, ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
    Der junge Mann, der mit dem Rücken zu allen anderen stand, hielt inne, senkte den Kopf und stützte sich auf den Tisch vor ihm. Dann drehte er sich um und atmete tief durch. »Es gab einen Unfall. Ich habe mit meinem Wagen jemanden angefahren. Einen unbeteiligten Passanten, der zufällig vorbeikam. Er liegt im Koma. Es könnte sein, dass er stirbt.«

… Zweiundvierzig
    Der junge Beamte erzählte ihnen, was geschehen war.
    »Ich hab einfach nicht nachgedacht. Oder vielleicht hab ich zu viel nachgedacht. Ich hab Gespenster gesehen. Ich dachte, Galt könnte in meinem Wagen eine Falle installiert haben.«
    »Wie sollte er das denn angestellt haben?«, fragte Rhyme.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Pulaski verzweifelt. »Ich hatte vergessen, dass der Motor schon lief. Als ich den Schlüssel gedreht habe, gab es dieses komische Geräusch vom Anlasser und… na ja, ich bin in Panik geraten. Mein Fuß muss wohl von der Bremse gerutscht sein.«
    »Wer war der Mann?«
    »Einfach irgendjemand. Er heißt Palmer. Arbeitet nachts in einer Spedition. Er war auf dem Rückweg vom Supermarkt und hat eine Abkürzung genommen … Ich hab ihn voll erwischt.«
    Rhyme musste an die Kopfverletzung denken, die Pulaski im Dienst erlitten hatte. Der junge Mann würde sich große Vorwürfe machen, dass nun durch seine Unachtsamkeit ein Mensch zu Schaden gekommen war.
    »Die Abteilung für innere Angelegenheiten wird mich vernehmen. Es hieß, man rechne mit einer Klage gegen die Stadt. Ich soll die PBA verständigen und um einen Anwalt bitten. Ich …« Ihm fehlten die Worte. »Mein Fuß ist von der Bremse gerutscht«, wiederholte er schließlich. Es klang ein wenig manisch. »Ich wusste nicht mal mehr, dass ich den Wagen angelassen oder den Rückwärtsgang eingelegt hatte.«

    »Tja, Grünschnabel, ob Sie nun Schuld haben oder nicht, dieser Palmer hat jedenfalls nichts mit dem Fall Galt zu tun, oder?«
    »Nein.«
    »Dann kümmern Sie sich nach Dienstschluss darum«, entschied Rhyme.
    »Ja, Sir, natürlich. Mach ich. Tut mir leid.«
    »Also, was haben Sie gefunden?«
    Pulaski berichtete von den Seiten, die er Galts Drucker entlocken konnte. Rhyme beglückwünschte ihn dazu – das war wirklich gute Arbeit gewesen –, aber der Beamte schien ihn gar nicht zu hören und fuhr fort, von Galts Krebserkrankung und den vermeintlich dafür verantwortlichen Hochspannungsleitungen zu erzählen.
    »Rache«, sagte Rhyme nachdenklich. »Ganz klassisch. Ein passables Motiv. Keiner meiner Lieblinge. Und bei dir?« Er sah Sachs an.
    »Auch nicht«, erwiderte sie ernst. »Ich bevorzuge Habsucht und Gier. Bei Rache ist meistens eine asoziale Persönlichkeitsstörung beteiligt. Aber hier könnte es um mehr als Rache gehen, Rhyme. Nach dem Erpresserbrief zu schließen, befindet Galt sich auf einem Kreuzzug zur Rettung

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