Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
nicht. Falls Sie also etwas anfassen müssen, das unter Strom stehen könnte – Sie wollen beispielsweise eine Metalltür öffnen –, achten Sie darauf, dass Sie trocken sind und isolierte Schuhe oder Stiefel tragen. Verwenden Sie möglichst einen Werkzeughalter oder ein isoliertes Werkzeug, und benutzen Sie nur eine Hand – am besten die rechte, weil sie etwas weiter vom Herzen entfernt ist. Die andere Hand behalten Sie in der Tasche, damit Sie nicht versehentlich etwas berühren und dadurch einen
Stromkreis schließen. Passen Sie auf, wohin Sie treten. Sie haben bestimmt schon mal gesehen, dass Vögel auf einer blanken Hochspannungsleitung sitzen. Die Tiere tragen keine PSK. Wie können sie also auf einem Stück Metall hocken, das unter hunderttausend Volt steht? Warum fallen keine gebratenen Tauben vom Himmel?«
    »Weil sie das andere Kabel nicht berühren.«
    »Richtig. Solange sie nicht in Kontakt mit einer Rückleitung oder dem Mast kommen, passiert ihnen nichts. Sie stehen genauso unter Spannung wie das Kabel, aber es fließt kein Strom durch sie, keine Ampere. Und Sie müssen genau wie dieser Vogel auf der Leitung sein.«
    Wobei Sachs sich wirklich verdammt zerbrechlich vorkam.
    »Legen Sie jedwedes Metall ab, bevor Sie mit Strom arbeiten. Vor allem Schmuck. Reines Silber ist der beste Leiter der Welt. Kupfer und Aluminium folgen dicht dahinter, dann Gold. Am anderen Ende der Skala befinden sich die Dielektrika, die Nichtleiter. Glas und Teflon, dann Keramik, Plastik, Gummi, Holz. Auf so einem Material zu stehen, auch wenn es nur eine dünne Schicht ist, kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. «
    Leben und Tod.
    »Das war Regel Nummer zwei, der Schutz«, fuhr Sommers fort. »Zuletzt nun Regel Nummer drei: Falls Sie den Strom nicht meiden und sich nicht vor ihm schützen können, schlagen Sie ihm den Kopf ab. Alle Stromkreise, ob groß oder klein, können abgeschaltet werden. Es gibt immer einen Knopf, einen Unterbrecher, eine Sicherung. Sobald man den Schalter betätigt oder die Sicherung zieht, fließt kein Strom mehr. Und Sie brauchen nicht mal zu wissen, wo dieser Schalter sich befindet. Was passiert, wenn Sie zwei Drahtstücke in die Löcher einer Steckdose schieben und die Enden sich berühren?«
    »Die Sicherung fliegt raus.«

    »Genau. Das funktioniert bei jedem Stromkreis. Aber denken Sie an Regel Nummer zwei. Schützen Sie sich, wenn Sie so etwas tun. Denn bei höheren Spannungen kann zwischen den beiden Drahtenden ein gewaltiger Funke entstehen, bis hin zu einem Lichtbogen.«
    Sommers warf den nächsten Snack ein, diesmal Brezeln. Er kaute geräuschvoll und trank einen großen Schluck Limonade. »Ich könnte noch eine Stunde weiterreden, aber das sind die Grundlagen. Ist Ihnen so weit alles klar?«
    »Ja. Das war wirklich hilfreich, Charlie. Vielen Dank.«
    Seine Ratschläge klangen ganz simpel, doch obwohl Sachs ihm aufmerksam zugehört hatte, kam diese Gefahr ihr immer noch äußerst fremdartig vor.
    Wie hätte Luis Martin dem Strom ausweichen, sich vor ihm schützen oder ihm den Kopf abschlagen können? Die Antwort lautete: gar nicht.
    »Falls Sie sonst noch technische Fragen haben, rufen Sie mich einfach an.« Er schrieb ihr die Nummern von zwei Mobiltelefonen auf. »Ach, Moment noch… Hier.« Er gab ihr einen schwarzen Plastikkasten mit einem Knopf an der Seite und einem LCD-Display. Das Ding sah aus wie ein länglicher Telefonhörer. »Eine meiner Erfindungen. Ein kontaktloser Stromdetektor. Die meisten solcher Geräte registrieren nur Spannungen bis eintausend Volt, und man muss sich sehr nah an der Leitung oder dem Anschluss befinden. Dieser hier geht bis zehntausend. Und er ist sehr empfindlich. Er erkennt Spannungen aus einem bis anderthalb Metern Entfernung und verrät Ihnen die Stärke.«
    »Danke. Der wird mir nützlich sein.« Sie musterte das Instrument und lachte auf. »Schade, dass man mit so einem Gerät nicht erkennen kann, ob jemand auf der Straße eine Waffe trägt.«
    Das war als Scherz gemeint. Doch Charlie Sommers nickte und wirkte plötzlich sehr konzentriert. Offenbar dachte er ernsthaft
über Amelias Worte nach. Er verabschiedete sich von ihr, stopfte sich ein paar Nachos in den Mund und fing an, mit eifrigen Strichen etwas auf einem Stück Papier zu skizzieren. Sachs bemerkte, dass er automatisch nach einer Serviette gegriffen hatte.

… Einundzwanzig
    »Lincoln, das ist Dr. Kopeski.«
    Thom stand mit dem Besucher im Eingang zum Labor.
    Lincoln Rhyme

Weitere Kostenlose Bücher