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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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dachte ich.« Seine Stimme erstarb. Er schüttelte den Kopf, mit finsterer Miene und immer noch zitternden Händen.
    Rhyme machte sich auf den Rückweg ins Labor. »Es ist alles in Ordnung, Thom«, sagte er. »Keine Sorge… Und es hat sogar einen Vorteil.«
    Der Betreuer hob den Kopf und sah, dass Rhyme lächelte.
    »Ich brauche keine Zeit darauf zu verschwenden, eine Dankesrede für irgendeine bescheuerte Preisverleihung zu verfassen, sondern kann mich wieder meiner Arbeit widmen.«

… Zweiundzwanzig
    Elektrizität erhält uns am Leben; die Impulse, die vom Gehirn an das Herz und die Lunge geschickt werden, sind ein Stromfluss wie jeder andere.
    Und Elektrizität tötet auch.
    Um einundzwanzig Uhr, nur neuneinhalb Stunden nach dem Anschlag beim Umspannwerk MH-10, ließ der Mann in dem dunkelblauen Overall der Algonquin Consolidated den Blick über die nächste Todeszone schweifen.
    Elektrizität und Tod …
    Er stand auf einer Baustelle, mitten im Freien, aber niemand achtete auf ihn, denn er war hier ein Arbeiter von vielen. Unterschiedliche Kleidung, unterschiedliche Schutzhelme, unterschiedliche Firmen. Eines jedoch einte sie alle: Sie verdienten ihren Lebensunterhalt mit den Händen, und diejenigen, die auf ihre Dienste angewiesen waren, die Reichen, die Bequemen, die Undankbaren, blickten auf sie herab.
    Unsichtbarkeit bedeutete Sicherheit, und der Mann war derzeit damit beschäftigt, eine wesentlich leistungsstärkere Ausgabe der Vorrichtung zu installieren, die er zuvor in dem Fitnessklub getestet hatte. In Fachkreisen begann »Hochspannung« erst bei 70 000 Volt. Für das, was er geplant hatte, musste er sicherstellen, dass alle Bestandteile mindestens das Zwei- bis Dreifache dieses Wertes aushielten.
    Er nahm den Schauplatz des für den nächsten Tag geplanten Anschlags ein weiteres Mal in Augenschein. Dabei dachte er unwillkürlich
über Volt- und Amperestärken nach … und über den Tod.
    Über Ben Franklin war viel Falsches berichtet worden, zum Beispiel das verrückte Schlüssel-im-Gewitter-Ding. In Wahrheit setzte Franklin keinen Fuß auf feuchten Boden, sondern blieb in einer Scheune und war mit der nassen Drachenschnur lediglich durch ein trockenes Seidenband verbunden. Und der Drachen wurde auch nicht direkt von einer Entladung getroffen, sondern nahm in dem aufziehenden Sturm statische Elektrizität auf. Das Resultat war kein echter Blitzstrahl, sonder eher hübsche blaue Funken, die über Franklins Handrücken tanzten, als wären sie Fische, die auf der Suche nach Insekten aus einem See sprangen.
    Nicht lange danach wurde das Experiment von einem europäischen Wissenschaftler wiederholt. Er überlebte es nicht.
    Seit den Anfängen der Stromerzeugung kamen immer wieder Arbeiter ums Leben, weil sie gegrillt oder weil ihre Herzen abgeschaltet wurden. Das erste Elektrizitätsnetz tötete eine Anzahl Pferde – als Folge der Hufeisen auf nassen Pflastersteinen.
    Thomas Alva Edison und sein berühmter ehemaliger Assistent Nikola Tesla stritten fortwährend darum, was nun besser sei: Gleichstrom (Edison) oder Wechselstrom (Tesla). Um die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, verbreiteten sie wechselseitig Horrorgeschichten über die möglichen Risiken. Der Konflikt wurde als der Kampf der Ströme bekannt und schaffte es regelmäßig auf die Titelseiten der Zeitungen. Edison zog mit Vorliebe die Stromschlagkarte und warnte, dass ein jeder Benutzer von Wechselstrom Gefahr laufe, auf grausige Weise getötet zu werden. Es stimmte, dass bei Wechselstrom schon in geringerer Stärke Verletzungen auftraten. Andererseits musste Strom eine gewisse Mindeststärke besitzen, um nutzbar zu sein, und die war in jedem Fall potenziell tödlich, auch bei Gleichstrom.
    Der erste elektrische Stuhl wurde von einem Angestellten Edisons gebaut und basierte – wohl aus taktischen Erwägungen
– auf Teslas Wechselstrom. Die erste Hinrichtung wurde damit im Jahre 1890 vorgenommen, und zwar nicht unter Aufsicht eines Henkers, sondern eines »staatlichen Elektrikers«. Der Delinquent war am Ende tot, aber es dauerte acht Minuten. Wenigstens war er vermutlich bewusstlos, als er in Brand geriet.
    Heutzutage gab es Taser und andere Elektroschocker. Je nach persönlicher Verfassung und betroffenem Körperteil des Opfers kam es dabei des Öfteren zu Todesfällen. Und am meisten fürchtete die Branche sich natürlich vor Lichtbögen wie dem vom heutigen Vormittag.
    Strom und Tod …
    Der Mann schlenderte über die Baustelle und

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