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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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abtrete.«
    Ein Lächeln legte sich auf das freundliche Gesicht. »Ich bin Ihrem Betreuer und Ihnen gegenüber nicht ganz aufrichtig gewesen, allerdings aus gutem Grund.«

    Rhyme war nicht beunruhigt. Wenn der Mann sich als jemand anders ausgegeben hätte, um sich hier Zutritt zu verschaffen und mich umzubringen, wäre ich längst tot. Seine erhobene Augenbraue bedeutete: Okay. Beichten Sie, und lassen Sie uns weitermachen.
    »Ich komme nicht vom DRC.«
    »Nicht?«
    »Nein. Aber ich behaupte manchmal, ich würde dieser oder jener Gruppe angehören, weil die Nennung meiner echten Organisation die Leute bisweilen veranlasst, mich vor die Tür zu setzen.«
    »Die Zeugen Jehovas?«
    Er lachte auf. »Ich gehöre zu Sterben in Würde. Unser Sitz ist in Florida, und wir treten für die Legalisierung von Sterbehilfe ein.«
    Rhyme hatte schon von der Gruppe gehört.
    »Haben Sie je daran gedacht, aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen?«
    »Ja, vor einigen Jahren. Letztlich habe ich mich aber dagegen entschieden.«
    »Doch Sie betrachten es nach wie vor als eine Option?«
    »Tut das nicht jeder, ob behindert oder nicht?«
    Ein Nicken. »Stimmt.«
    »Es dürfte klar sein, dass mir hier kein Preis für die Wahl der gründlichsten Selbstmordmethode verliehen werden soll«, sagte Rhyme. »Also, was kann ich für Sie tun?«
    »Wir brauchen Fürsprecher. Leute wie Sie, mit einem gewissen allgemeinen Bekanntheitsgrad. Die vielleicht erwägen, den Übergang zu vollziehen.«
    Übergang. Na, das ist doch mal ein Euphemismus.
    »Sie könnten ein Video für YouTube drehen. Ein paar Interviews geben. Wir haben uns gedacht, eines Tages würden Sie unsere Dienste womöglich gern in Anspruch nehmen …« Er
zog eine Broschüre aus seiner Aktentasche. Sie war in gedämpften Farben gehalten, auf hübschem Karton gedruckt und hatte Blumen auf der Titelseite. Nicht Lilien oder Gänseblümchen, wie Rhyme bemerkte, sondern Rosen. Der Schriftzug darüber lautete: »Die freie Wahl«.
    Kopeski legte die Broschüre vor Rhyme auf den Tisch. »Falls Sie daran interessiert wären, für uns als namhafter Förderer zu fungieren, könnten wir Ihnen unser Angebot nicht nur kostenlos zur Verfügung stellen, sondern Ihnen zudem eine gewisse Vergütung anbieten. Ob Sie es glauben oder nicht: Für eine so kleine Gruppe sind wir finanziell recht gut ausgestattet.«
    Weil ihr vermutlich auf Vorkasse besteht, dachte Rhyme. »Ich glaube wirklich nicht, dass ich der Richtige für Sie bin.«
    »Sie müssten nichts anderes tun, als ein wenig davon zu erzählen, dass Sie schon immer die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe in Betracht gezogen haben. Wir würden auch einige Videos anfertigen. Und…«
    »Machen Sie gefälligst, dass Sie hier rauskommen!« Die Stimme aus Richtung der Tür ließ Rhyme erschrecken. Er sah, dass auch Kopeski zusammenzuckte.
    Thom stürmte ins Zimmer. Der Doktor setzte sich hastig auf, verschüttete dabei seinen Kaffee und ließ die Tasse fallen, die auf dem Boden zerbarst. »Warten Sie, ich …«
    Thom, normalerweise der Inbegriff der Selbstbeherrschung, war knallrot. Seine Hände zitterten. »Raus, hab ich gesagt!«
    Kopeski stand auf. Er blieb ruhig. »Hören Sie, Detective Rhyme und ich unterhalten uns nur«, versicherte er. »Es besteht kein Grund zur Beunruhigung.«
    »Raus! Sofort!«
    »Es dauert nicht lange.«
    »Sie werden sofort gehen.«
    »Thom …«, setzte Rhyme an.
    »Ruhe!«, befahl dieser.

    Der Blick des Doktors fragte: Ihr Assistent darf so mit Ihnen reden?
    »Ich werde das nicht noch einmal sagen.«
    »Ich gehe, wenn wir fertig sind.« Kopeski trat einen Schritt vor. Er befand sich in guter körperlicher Verfassung wie viele Mediziner.
    Doch Thom war ein Betreuer und Physiotherapeut, und zu seinen Aufgaben gehörte es, Rhymes Hintern täglich mehrfach auf Betten, Stühle oder Trainingsgeräte zu wuchten. Er stellte sich Kopeski offen entgegen.
    Die Konfrontation dauerte nur ein paar Sekunden; der Doktor gab klein bei. »Na gut, na gut, na gut.« Er hob beide Hände. »Herrje. Das war doch nun wirklich nicht …«
    Thom nahm die Aktentasche des Mannes, stieß sie ihm vor die Brust und führte ihn hinaus. Gleich darauf knallte die Haustür ins Schloss. Die Bilder an der Wand wackelten.
    Der Betreuer kehrte zurück. Er war sichtlich erschüttert. Er hob das zerbrochene Porzellan auf und wischte den Kaffee weg. »Es tut mir leid, Lincoln«, sagte er dann. »Ich hatte vorher nachgesehen. Es war eine echte Organisation…

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