Opferspiel: Thriller (German Edition)
»Und dafür gesorgt, dass Ryan es erfuhr.« Er berichtete von den Aufnahmen der Überwachungskamera. »Wie es aussieht, war Rita Nulty das Hauptkindermädchen, während sie Katie gefangen hielten. Stuart Ball hat wahrscheinlich dabei geholfen, sie wegzubringen, und ich vermute, Pater Reg ist irgendwie dahintergekommen, ich weiß nur noch nicht, wie.«
Jo stöhnte. »Und da renne ich die ganze Zeit herum wie eine Bescheuerte, und um mich herum sterben die Leute wie die Fliegen …«
»Meinen Sie vielleicht, für mich war das einfach?« Sexton beugte sich zu ihr vor, sein Gesicht noch zerfurchter und müder als sonst. »Ich hatte Ryan versprochen, um Katies willen den Mund zu halten. Wenn wir da reinmarschiert wären und Verhaftungen vorgenommen hätten, wäre jede Chance, dass jemand von den Skids uns sagt, was sie mit ihr gemacht haben, dahin gewesen. Wir versuchen immer noch, zu ihr durchzudringen, um sie zu heilen, Jo. Sie hat nicht mehr richtig gesprochen, seit das passiert ist.«
Jo sog die Luft durch die Zähne ein. »Sie ist immer noch krank?«
Er nickte. »Im Moment liegt sie in der Crumlin-Kinderklinik.«
»Und warum erzählen Sie mir jetzt davon?«
»Ich wollte es Ihnen die ganze Zeit schon sagen. Aber gestern habe ich auch noch erfahren, dass Ryans Frau Angie von Anto Crawley erpresst wurde, bevor er starb. Ich habe mit ihr gesprochen. Sie sagte, sie hätte nichts weiter getan, als Crawley vorzuwarnen, wenn Ryan etwas über die Skids veröffentlichen wollte. Crawley nutzte ihre Tipps, um bei sich aufzuräumen, bevor die Storys gedruckt wurden. Wenn Ryan schrieb, dass Crawley einen Container voll Hasch im Hafen von Dublin liegen hat, gab Angie Crawley Bescheid, und dann war es zu spät – der Container war leer. Die Story war im Arsch. Ich glaubte ihr, und Ryan auch. Jeder hätte dasselbe gemacht, um seine Familie zu retten.«
» Glaubte ihr?«, hakte Jo nach. »Warum Vergangenheit?«
Er setzte die Flasche an den Mund.
Jo nahm sie ihm ab und stellte sie auf den Tisch. »Jetzt sagen Sie mir, was passiert ist, als Sie Mac freiließen. Und wie viel Zeit Sie damit zugebracht haben, sich zu stylen, seit Sie ihn beschattet haben.«
»Ich dachte halt, wenn ich ihm folge, können wir der Geschichte endlich auf den Grund gehen. Aber er ist geradewegs nach Hause gefahren.«
Jo schnappte sich Schlüssel und Telefon.
Sexton sprang ebenfalls auf. »Sie können nicht einfach so bei Katie hereinplatzen. Es geht ihr sehr schlecht. Noch mehr traumatische Erlebnisse kann sie nicht verkraften.«
»Wir haben total danebengelegen«, sagte Jo. Ihre Hand zitterte, als sie Dans Nummer wählte. »Mac ist nicht der Mörder. Er ist der Nächste.«
Freitag
44
0.29 Uhr. Das Erste, was Jo sah, nachdem Sexton Macs Tür eingetreten hatte, waren zwei nackte, kindersarggroße Füße, die schlaff in diesem grotesken Winkel zueinander hingen, der sofort an Selbstmord denken lässt – die großen Zehen berührten sich. Sie baumelten am anderen Ende des Raums von einem Halbgeschoss herunter, das die obere Hälfte des Körpers verdeckte.
Sexton stützte sich auf Jos Schultern, als wollte er einen Bocksprung über sie hinweg machen. Jo hielt ihn davon ab, Mac zu Hilfe zu eilen, und deutete auf die dicke Lache aus gerinnendem Blut unter der Leiche.
»Raus«, sagte sie laut, um den Krach von Fernseher und Stereoanlage zu übertönen. »Rückwärts, möglichst auf dieselben Stellen treten wie beim Hereinkommen, und wir werden Ihre Schuhe brauchen.«
Sexton war gerade klar geworden, dass ihn eine gewisse Schuld an Macs Tod traf, das schloss sie aus seinem schweren Aufstöhnen.
»Machen Sie die üblichen Anrufe«, schärfte sie ihm ein.
Dann wappnete sie sich gegen das Kommende und bewegte sich steifbeinig durch die saalartige Wohnung, las die seltsamen Worte, die an die Wände geschmiert worden waren. Foxy hatte recht, dachte sie, als sie das lange weiße Ecksofa aus Antikleder sah, das die Seiten einnahm, und die darüber hängenden Originalgemälde – Guggi, Graham Knuttel. Das war nicht mit einem Beamtengehalt bezahlt worden. Je näher sie der Leiche kam, desto mehr stellten sich ihre Nackenhaare auf. Macs Wohnung lag ebenfalls im innerstädtischen Bezirk C.
Sie stand jetzt vor seinen Füßen, am Rand der klebrigen Blutpfütze. Das wäre der Moment gewesen, hinaufzublicken, aber sie wollte ihn so lange wie möglich hinauszögern, denn sie hatte bereits eine Vorstellung davon, was sie zu sehen bekommen würde. Sie verzog
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