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Opferspiel: Thriller (German Edition)

Opferspiel: Thriller (German Edition)

Titel: Opferspiel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niamh O'Connor
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das Gesicht, als sie einen fauligen Geruch wahrnahm, wie von aufgeweichten Blumenstielen in altem Wasser. Ihre Augen wanderten zu einem umgekippten Aquarium und den herumliegenden toten Fischen.
    »Sieht dir nicht ähnlich, die Beherrschung zu verlieren«, sagte sie mit zitternder Stimme.
    Sie holte Block und Stift aus der Tasche und schrieb die Worte an den Wänden buchstabengetreu ab, dann sah sie sich langsam um. Mac war an die Galerie genagelt worden, die um die Wohnung verlief. Seine Arme waren ausgebreitet und an das klobige hölzerne Geländer gefesselt, und durch seine Handflächen waren Eisennägel in die Holzstreben getrieben worden. Blut war aus den Wunden bis zu den Ellbogen gelaufen und dann auf den cremefarbenen Teppich getropft, sein Kopf hing schräg nach unten, das Kinn lag auf der Brust. Eine Dornenkrone saß auf seiner Stirn. Abgesehen von seiner Unterhose war er nackt. Und ja, dort war die kennzeichnende Wunde, links vom Brustbein, bemerkte Jo, die sich auf ihre Beobachtungen zu konzentrieren versuchte, um nicht auf die eisige Faust in ihrem Magen zu achten. Das war keine Abscheu. Es war Furcht.
    Sie ging zu einer durchsichtigen Glastreppe an der Seitenwand und stieg zu der Galerieetage hinauf, wobei ihr einige verstreute Silbermünzen ins Auge fielen. »Judas«, flüsterte sie.
    Der Lärm aus den Lautsprechern machte sie so schreckhaft, dass sie immer wieder über ihre Schulter blicken musste. »Komm schon, Jo, der Mörder ist längst weg, reiß dich zusammen«, ermahnte sie sich. »Du bist für das hier ausgebildet. Du musst die Dinge mit seinen Augen betrachten.«
    Sie sah kurz zu Macs ungemachtem Bett hin. Es war ein niedriges, japanisch angehauchtes Kastenteil, bezogen mit schwarzer Satinbettwäsche, wie alleinstehende Männer sie mochten und Frauen nicht.
    Bewusst ein- und ausatmend, besah sie sich anschließend Macs Kopf und Torso von hinten. Sie hätte ihn berühren können, so dicht stand sie davor. Die Male und Striemen auf seinem Rücken legten nahe, dass er ausgepeitscht worden war.
    Solange sie alles emotionslos registrierte und notierte, konnte sie weitermachen, sagte sie sich. Sie ging noch näher heran, sodass sie auf Macs Kopf hinuntersah. Die Krone war aus Weißdornzweigen geflochten, und die Dornen hatten die Kopfhaut verletzt. Sie unterdrückte ihre aufstei gende Panik und musterte das Seil, das mehrfach um die Handgelenke gewickelt war. Es war blau und dünn, vermutlich Wäscheleine. Vielleicht landeten sie einen Glückstreffer, falls sie per Laboranalyse das Herstellungsjahr feststellen konnten. Wenn sie nur mehr Zeit hätten …
    Sie blickte über das Galeriegeländer in den hinteren Teil der Wohnung, wo sich eine Edelstahlküche befand, und entdeckte zwei Gläser in der Spüle. Hatte auch Mac seinen Mörder gekannt? Hatte er etwas mit ihm getrunken, bevor er starb? Es gab keine Hinweise auf einen Einbruch.
    »Fünf Tote«, sagte sie, an den Mörder gewandt. »Das hier ist der Höhepunkt für dich, oder? Du musst dich jetzt selbst wie ein Gott fühlen.«
    Nun hatte sie sich wieder im Griff. Die Furcht wich allmählich der Wut. Sie beugte sich vor und legte eine Hand auf Macs Brust, um die Körpertemperatur zu fühlen, notierte sie als »noch warm bei Berührung«. Anschließend inspizierte sie die rostigen Nägel in seinen Handflächen, die der Größe nach von Eisenbahnschwellen stammen konn ten. Eventuell würde es ihnen gelingen, auch deren Herkunft zurückverfolgen. Sie beugte den Arm und versuchte herauszukriegen, wie der Täter Mac festgehalten hatte, während er die Nägel einschlug, bemerkte dann erst die rote Einkerbung um den Hals, wo die Schlinge eines Seils – wahrscheinlich das gleiche wie das um die Handgelenke – gesessen hatte.
    »Warum hat er hier die Sonderbehandlung bekommen?«, fragte sie, immer noch mit dem Mörder redend. »Wenn es Crawleys Idee war, Katie Freeman zu entführen, spielten die anderen, sogar Mac, doch nur Nebenrollen. Warum hast du nicht Crawley den qualvollsten Tod bereitet, an diesem für dich so besonderen Tag … Es sei denn …«
    Sie sah zu dem Aquarium hinüber, während sie sich alles zusammenreimte. »Mac hat dich am wütendsten gemacht«, sagte sie und verstand plötzlich. »Judas, der Verrä ter – der größte Feind Christi. Deshalb hast du Mac ausgewählt … Du vernichtest deine Opfer nicht für das, was sie Katie angetan haben, richtig? Du bringst alle um, die verraten könnten, was mit ihr passiert ist. Und Judas ist

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