Ophran 3 Die entflohene Braut
und sie konnte weder sprechen noch schreien, sondern nur wie gebannt auf das schaurig-schöne Schauspiel der lodernden Flammensäulen starren, die auf dem Schiff wüteten.
Und dann, als sie bereits alle Hoffnung aufgeben hatte, dass Jack noch lebte, tauchte er aus dem Flammenmeer auf.
Er schleuderte seine brennende Jacke fort, zog sich das Halstuch vom Gesicht und hustete keuchend, um seine Lungen von der Hitze und dem Rauch zu befreien. Dann atmete er tief durch und lief zu dem Jungen, der am Bug des Schiffes kauerte.
„Hallo, Charlie“, sagte er in ruhigem Ton, der nicht recht zum Ernst der Lage passen wollte. „Ich glaube, es ist Zeit, dass wir von Bord gehen, meinst du nicht? “
„Ich gehe nicht durch dieses Feuer! “
„Ich auch nicht. Ich bin gerade hindurchgelaufen und fand die Erfahrung nicht besonders angenehm. “
„Ich springe auch nicht ins Wasser. Ich kann nicht schwimmen! “
„Ich werde dich nicht ertrinken lassen, Charlie. Das verspreche ich dir. “
Charlie guckte ihn hilflos an, die Augen vor Angst weit aufgerissen.
„Nimm meine Hand. “ Jacks Stimme war freundlich, aber bestimmt, als er dem zitternden Jungen die Hand reichte. „Das ist alles, was ich von dir verlange. Nimm einfach meine Hand. “
„Sie werden versuchen, mich von Bord zu stoßen“, antwortete der Jüngling anklagend.
„Nein, das werde ich nicht“, versprach Jack. „Du bist ein junger Mann, Charlie, kein Kind. Du hast das Recht, den Tod zu wählen, wenn du möchtest. Und wenn du hier bleiben und bei lebendigem Leibe verbrennen willst, werde ich deine Entscheidung achten. Ist es das, was du willst? “
Er schüttelte heftig den Kopf.
„Dann nimm meine Hand. “
Charlie wimmerte, streckte dann den Arm aus und griff nach Jacks Hand.
„Gut. “ Jack hielt die Hand des Jungen fest in der seinen. „Jetzt klettern wir gemeinsam über die Reling, und dann springen wir einfach vom Schiff. Es ist wirklich nicht viel dabei. “
Halb benommen vor Angst erlaubte Charlie seinem Retter, ihn über die Reling zu führen, doch dann klammerte er sich plötzlich mit einer Hand am Geländer fest und mit der anderen an Jack.
„Ich werde ertrinken“, flüsterte er und starrte auf die tintenschwarzen Fluten hinunter.
„Nein, das wirst du nicht. Du wirst ein paar Sekunden durch die Luft fliegen und dann in das Wasser eintauchen. Halte den Atem an und mach die Augen zu. Ich werde dich sofort herausziehen. Bist du bereit? “
Charlie zitterte vor Angst, doch er nickte.
„Also dann los! “
Amelia beobachtete in ehrfürchtiger Scheu, wie Jack und der Junge Hand in Hand von Bord sprangen. Charlies Schrei gellte durch die Luft und wurde dann vom Platschen des Wassers erstickt. Beide verschwanden für ein paar endlos scheinende Augenblicke in den Fluten, und die Nacht wirkte mit einem Mal bedrohlich still.
Dann tauchte Jack aus dem Wasser auf, den keuchenden, prustenden Charlie in den Armen.
Die Zuschauer auf dem Pier und die Matrosen, die sich im Fluss an Fässern und Kisten festklammerten, brachen in lautes Jubelgeschrei aus. Den Jungen fest im Griff, schwamm Jack dem Ruderboot entgegen, das sich ihnen näherte, und half den Männern, Charlie sicher an Bord zu hieven. Dann kletterte er selbst ins Boot und war dabei behilflich, den Rest der Besatzung seines Schiffes aus dem Fluss zu ziehen.
„Das war eine echte Heldentat, mein Junge“, sagte Oliver mit vor Rührung heiserer Stimme, als Jack endlich tropfnass und fröstelnd auf dem Kai stand. „Ich bin wirklich stolz auf Sie. “
Amelia hörte auf, den Männern und Frauen dabei zu helfen, ihre zerlumpten Schultertücher und Decken an die vor Kälte zitternden Matrosen zu verteilen, und eilte herbei. Sie schaute Jack besorgt an. „Sind Sie wohlauf? “
Das einst kunstvoll frisierte Haar fiel in wirren Strähnen über ihre Schultern, ihre Wangen und Hände waren schmutzverschmiert, und ihr elegantes Abendkleid hing in Fetzen um ihren Leib. Jack fand, dass sie atemberaubend schön aussah. „Ja, alles in Ordnung. “
„Die Besatzung ist vollständig angetreten, Mr. Kent, Sir“, verkündete ein hagerer grauhaariger Mann von etwa fünfundvierzig Jahren.
„Wo waren die Männer, als das Feuer ausbrach, Kapitän Macintosh? “ fragte Jack.
„Die meisten waren so erschöpft vom Beladen des Schiffes, dass sie sich bereits in ihre Kojen zurückgezogen hatten“, erklärte der Kapitän.
„Wer hatte Wachdienst? “
„Davis und Petterson. Ich habe bereits mit
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