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Ophran 3 Die entflohene Braut

Titel: Ophran 3 Die entflohene Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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los.
    „Um Himmels willen, Amelia“, brachte er mit heiserer Stimme hervor. „Es tut mir Leid. Ich dachte, ich sei wieder... “ Er hielt jäh inne. „Ich habe geschlafen. “
    Im bernsteinfarbenen Licht der Kerze wirkte sein Gesicht wie ein in Stein gehauener Ausdruck verzweifelter Reue. Amelia betrachtete ihn verwundert. Einen Augenblick lang hatte sie sich gefürchtet. Doch der Mann vor ihr litt so offenkundig Kummer, dass sie nun das überwältigende Verlangen verspürte, ihn zu trösten. Er hatte die Hände in seinem dunklen Schopf vergraben und den Blick gesenkt, so als brächte er es nicht über sich, ihr in die Augen zu sehen. Die dünne Narbe, die seine linke Wange verunzierte, hob sich blass von den dunklen Bartstoppeln ab. Es musste eine entsetzliche Wunde gewesen sein. Amelia hatte stets angenommen, die Narbe sei das Ergebnis eines Unfalls, doch mit einem Mal war sie sich nicht mehr so sicher.
    „Was ist mit Ihrer Wange geschehen? “
    Jack hob den Kopf und guckte sie argwöhnisch an. „Ich war in einen Kampf verwickelt. “
    „Wann? “
    „Vor langer Zeit. “
    „Als Sie schon ein Mann waren“, fragte sie beharrlich, ohne zu wissen, warum ihr das so wichtig erschien, „oder  noch ein Knabe? “
    Er sah sie mit gespieltem Gleichmut an. Sie weiß es, erkannte er, erfüllt von einem Gefühl der Kraftlosigkeit und Trauer. Nicht alles, doch genug. Sie wusste, dass er nicht der war, der er zu sein vorgab. Mit einer hässlichen, unbedachten Geste hatte er sich ihr ungewollt offenbart. Nur ein Mann, der in seinem Leben unsägliche Gewalt hatte erdulden müssen, würde im Schlaf nach jemandem schlagen, so wie er es getan hatte. Amelia war jung und unerfahren, doch sie war nicht so naiv, als dass sie kalte, nackte Angst nicht erkannt hätte, wenn sie ihr begegnete.
    „Sie waren noch ein Kind“, meinte Amelia sanft, als sie wahrnahm, wie Jack um eine Antwort rang.
    Er zuckte die Schultern und versuchte, eine gleichgültige  Miene aufzusetzen. „Es war nicht von Bedeutung. “ Er setzte sich auf und begann, die Papiere auf seinem Schreibtisch zu ordnen. „Nur eine Rauferei unter Jungs, ich erinnere mich kaum noch daran. “
    Er log. Amelia spürte es. Und sie erkannte es an der Art, wie er ihrem Blick auswich, indem er sich seiner Arbeit widmete. Es verletzte sie tief, dass er ihr die Wahrheit vorenthielt. Warum vertraute er ihr nicht genug, um ehrlich zu sein, wo sie ihm gegenüber doch so aufrichtig gewesen war?
    „Wenn Sie nicht möchten, dass ich es weiß, dann sagen Sie es“, erklärte sie ruhig. „Doch lügen Sie mich bitte nicht an. Es ist wichtig für mich, dass Sie mich genug achten, um mir die Wahrheit zu sagen... selbst wenn Sie glauben, sie werde mir missfallen. “ Ihre Stimme zitterte, als sie hinzufügte: „Sie meinten, ich könne Ihnen vertrauen. Ich muss wissen, dass es stimmt. “
    Jack blickte erstaunt zu ihr auf. Sie hielt die karierte Wolldecke über der Brust zusammen, ein behelfsmäßiger Umhang, der kaum ihr Nachtgewand bedeckte. Angesichts ihrer beschränkten Mittel hatte Doreen ein schlichtes Baumwollnachthemd gewählt, das nicht einmal mit einer winzigen Schleife am Ausschnitt oder ein wenig Spitze an den Ärmeln aufwarten konnte. Es ist wohl kaum die Art Bekleidung, die Amelia gewohnt ist, dachte Jack und verspürte ein stechendes Schuldgefühl. Eine Frau ihres Standes besaß mindestens ein Dutzend seidener Nachtgewänder, allesamt üppig mit Satinschleifen, aufwendigen Stickereien und französischer Spitze verziert. Und hier stand sie nun, in einfache Baumwolle und eine alte Decke gehüllt, mit offenem Haar und nackten Füßen.
    In diesem Augenblick war sie die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
    Jack erhob sich von seinem Schreibtisch und trat auf Amelia zu. Er wollte ihr mitteilen, dass es ihm Leid tat. Er wollte ihr sagen, dass er nicht die Absicht gehabt hatte, sie zu verletzen, weder mit seiner Grobheit noch mit seinen Lügen. Er wollte sie in die Arme schließen und den Schmerz aus ihrem Blick vertreiben, sie an sich ziehen und ihren zarten Duft einatmen, spüren, wie sich ihr weicher Körper betörend sanft i und tröstend an den seinen schmiegte. Er wollte von sich erzählen, von seiner dunklen Vergangenheit, für die er sich so schämte, und er wollte, dass sie ihm mit diesem vertrauensvollen Ausdruck lauschte, den er so häufig in ihren Augen entdeckt hatte, wenn sie ihn anschaute. Vielleicht war es das, was er so unwiderstehlich an ihr fand, dieser

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