Ophran 3 Die entflohene Braut
nicht genug zu sein schien. Sie wimmerte und presste ihre Lippen auf seinen Mund, flehte ihn an, bat ihn inständig, obwohl sie nicht zu sagen wusste, wonach es sie so heftig verlangte. Plötzlich erbebte sie. Sie schrie auf vor Wonne, sank zitternd gegen Jack und schmiegte das Gesicht an seine Brust. Ein wunderbares Gefühl der Erlösung durchströmte sie, als er die Arme um sie schlang und sie schützend an sich drückte.
Jack legte die Wange an Amelias zerzaustes Haar, schloss die Augen und sog ihren Duft ein. Er wollte Amelia auf den Teppich betten und sich in ihr verlieren, wollte das elfenbeinfarbene Nachthemd anheben und in ihren warmen Schoß eindringen, wollte spüren, wie ihr samtweicher Leib ihn umschloss, während er sie zur Seinen machte. Er hatte nie eine so außergewöhnliche Frau besessen wie sie, eine Frau, deren Schönheit weit über die ihres Gesichts und ihres Körpers hinausging. Er begehrte Amelia stärker, als er jemals zuvor etwas begehrt hatte, und die Heftigkeit seines Verlangens erschreckte ihn.
Sie ist nicht mein, rief er sich scharf in Erinnerung, und sie wird es niemals sein. Zwar war es ihr irgendwie gelungen, ihre Erziehung zu überstehen, ohne die üblichen Überlegenheitsgefühle und Standesdünkel zu entwickeln, doch sie stammte dennoch aus einer Welt, die schlicht und einfach nicht die seine war. Er konnte nie den widerlichen Umständen seiner eigenen Zeugung entfliehen oder dem abstoßenden Leben, das er geführt hatte, bevor er von Genevieve gerettet worden war. Er entschuldigte sich nicht für seine frühen Jahre, doch er war auch nicht eben stolz darauf. Er konnte nicht von Amelia erwarten, dass sie ihr Leben mit einem Mann wie ihm teilte... einem Hurenbalg und Verbrecher, der zahllose Diebstähle und Schlägereien auf dem Kerbholz hatte... und einen Mord. Sie hatte keine Ahnung, wer er wirklich war. Deshalb hatte sie ihm erlaubt, sie zu küssen. Deshalb hatte sie sich an ihn geschmiegt, als er versucht hatte, sich von ihr zu lösen, und damit den Rest seiner Willenskraft gebrochen.
Entsetzt über seinen bestürzenden Mangel an Selbstbeherrschung ließ er Amelia los, wandte sich ab und blickte von Selbsthass erfüllt aus dem regennassen Fenster.
Als er seine schützenden Arme von ihr nahm, wallte ein Gefühl der Scham in Amelia auf und löschte die Flammen der Leidenschaft, die eben noch in ihr gelodert hatten. Ihr war plötzlich kalt, und sie hob die Wolldecke vom Boden und hüllte sich darin ein.
Eine entsetzliche Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
„Es tut mir Leid“, flüsterte sie schließlich.
Von Selbstverachtung gepeinigt, drehte Jack sich um und schaute Amelia hilflos an. „Ich bin derjenige, der um Verzeihung bitten muss, Amelia. Ich hatte kein Recht, dich zu berühren. “
Sie guckte ihn schweigend an und rang mit ihren Gefühlen. Nein, dieses Recht hatte er wohl nicht, wenn es einen ordnungsgemäß Unterzeichneten Verlobungsvertrag samt anschließender opulenter Hochzeitsfeier mit achthundert geladenen Gästen voraussetzte. Das hatte es zwischen ihnen nicht gegeben. Es hatte gar nichts zwischen ihnen gegeben.
Außer einer Leidenschaft, die sie mit solch wunderbarem Verlangen erfüllt hatte, dass Amelia das Gefühl gehabt hatte, daran sterben zu müssen.
„Es wird nie wieder Vorkommen“, versprach Jack und hoffte inständig, dass sie ihm glaubte. Er fürchtete plötzlich, sie könne ihn verlassen. Er würde am nächsten Morgen auf-wachen, und sie wäre nicht mehr da, zu verängstigt durch sein Verhalten, um eine weitere Nacht unter seinem Dach zu verbringen. „Ich schwöre es. “
Seine Beteuerungen hätten sie beruhigen sollen. Stattdessen fühlte Amelia sich seltsam betrogen. Was hatte sie von ihm erwartet? Dass er auf die Knie fiel und ihr seine unsterbliche Liebe gestand, so wie Percy? Dass er ihr schwor, es werde nie eine andere für ihn geben, und dass er sich geehrt fühlen würde, wenn sie einwilligte, seine Frau zu werden? Ich bin völlig mittellos, rief sie sich in Erinnerung. Sie hatte keine Familie, keine Mitgift, nichts. Und selbst wenn es anders wäre, wusste sie, dass Jack sich nicht viel aus der Ehe machte. Seine Liebe galt der See und seiner Reederei. Was sollte er mit einer Ehefrau anfangen, wenn er so selten zu Hause war, dass es ihn nicht einmal störte, dass sein Heim nicht anständig möbliert war?
„Ich verstehe. “ Amelia drehte sich zur Tür um, unfähig, ihn auch nur einen Augenblick länger anzuschauen. „Gute
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