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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher
Autoren: Frank Demant
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die beiden in Sachsenhausen wohnten. In Windeseile würde sich dort die Neuigkeit verbreiten, daß er, Herr Schweitzer, in Kürze ganz groß ins Geschäft der Detektiverei einsteige.
    Jürgens Stimme hatte einen konspirativen Beigeschmack, als er sich zu Maria beugte: „Wie mir Simon erzählt hat, wohnt ihr auch in Sachsenhausen …“
    Die ersten beiden Stunden Theorie waren absolviert. Herr Schweitzer hatte gebüffelt wie seit seiner Schulzeit nicht mehr. Die Bedeutung von Stop- und Vorfahrtsschildern würde er bis zum Tag des Jüngsten Gerichts nicht mehr vergessen. Das Rot, Gelb und Grün der Ampeln hatte er bereits als Fußgänger und Fahrradfahrer verinnerlicht. Prekär waren Halte- und Parkverbotsschilder mit all den zeitlichen Ausnahmebestimmungen. Völlig undurchsichtig gestaltete sich die Vorfahrtsregelung bei Kreuzungen, an denen keine Signalanlagen standen. Rechts vor links, das ging ja noch halbwegs, aber auch nur dann, wenn keine abknickende Vorfahrtsstraße für grenzenlose Verwirrung sorgte. Und Maria war bei der ganzen Paukerei auch keine große Hilfe gewesen. „Laß mich mit dem Quatsch in Ruh“, hatte sie zu Herrn Schweitzer gesagt, als er sie gebeten hatte, ihn doch mal abzufragen. „Autos verpesten die Luft. Für was gibt’s Taxis?“ Frauenlogik, hatte er gedacht, aber nicht gesagt.
    Bewußt hatte sich Herr Schweitzer für einen weiblichen Fahrlehrer entschieden, der würde sich eher moderner Methoden der Fahrerziehung bedienen und nicht ganz so streng mit ihm sein. Ein weiterer Trumpf könnte auch sein Charme sein, so hatte er es sich ausgemalt. Herr Schweitzer war pures Adrenalin, als ihn Frau Braun in der Niederräder Bürostadt aufforderte, sich hinters Steuer zu begeben. Es war Ende Februar und so furchtbar eisig kalt, es würde schneien, wenn es regnen würde. Doch kein Wölkchen trübte den Himmel.
    Herrn Schweitzers Euphorie hielt sich in Grenzen. „Und jetzt?“
    „Jetzt machen wir uns mit dem Armaturenbrett vertraut.“
    Die schier unermeßliche Anzahl der Knöpfchen, Schalter und Hebel trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn. Wie soll ich mir das bloß alles merken? Lediglich der rote Knopf für die Warnblinkanlage war auf Anhieb als solcher zu erkennen.
    Als Frau Braun ihm die Benzinanzeige mit der putzigen stilisierten Zapfsäule verklickerte, hielt er sie noch für die Königin der Pädagogik. Die Heizungsanlage war auch noch plausibel und die Geschwindigkeitsanzeige im Bereich seiner Verständnismöglichkeiten, hätte das Lenkrad nicht die Sicht darauf versperrt. Um zu erfahren, wie schnell er denn nun unterwegs sei, hätte sich Herr Schweitzer vorbeugen oder bücken müssen. Das kann ja heiter werden, durchfuhr es ihn. Er stellte sich vor, wie er auf der Autobahn in einen Baustellenbereich einfuhr, seine Geschwindigkeit zu erfahren trachtete, während sich das große gelbe Teerfahrzeug durch die Windschutzscheibe bohrte, Rettungshubschrauber landeten und unverrichteter Dinge wieder starteten, während ein Bestattungsunternehmer vorfuhr. Panische Angst durchwallte seinen Körper.
    Doch sogleich nahte die Rettung: „Sie können den Sitz auch höher oder tiefer stellen, wenn Sie nichts sehen.“
    Yippie, freute sich Herr Schweitzer, der froh war, nicht unter gelben Teerfahrzeugen enden zu müssen.
    Als nach schier unendlichen Minuten auch das mit der Kupplung und Gangschaltung geklärt war, ward er von der noch netten Frau Braun gebeten, doch bitte schön mal rückwärts am rechten Straßenrand einzuparken. Hierfür dürfe er sich auch abschnallen, ergänzte sie, als Herr Schweitzer beim Kopfdrehen vor Anstrengung rot angelaufen war.
    Das Problem war nicht die Größe der Parklücke gewesen – ein 7,5-Tonner hätte es locker vorwärts geschafft –, das größte Hindernis war der Bordstein, der Herrn Schweitzers Bemühungen mit der Sturheit eines Esels stets ein Ende setzte. Beim ersten Mal hatte er sich noch fast das Genick gebrochen, als er dagegengedonnert war, danach hatte er es mit mehr Gefühl probiert. Frau Brauns Frage, ob er mit seiner Freundin auch so umginge, hatte Herrn Schweitzer dazu veranlaßt.
    Trotz aller nun eingebrachten Feinmotorik fehlte es an der Optik. Immerfort schlug Herr Schweitzer zu scharf ein, oder lenkte zu spät dagegen.
    Nach einer Viertelstunde und unter dem Gekratze am Bürgersteig entlangschleifender Felgen hatte er es endlich geschafft. Frau Braun war nun nicht mehr ganz so nett. Mit den gebündelten Kräften ihrer Selbstbeherrschung
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