Opium bei Frau Rauscher
mit fremden Leuten ein Bierchen, unternimmt gemeinsam Ausflüge, geht mit ihnen abends zum Einheimischen essen oder auf einen Folkloreabend. Oft sind es Menschen, die man in heimatlichen Gefilden eher meiden würde, weil sie auf einer komplett anderen Wellenlänge schwammen. So erging es nun auch Herrn Schweitzer. Nicht daß er grundsätzlich gegen Revolution wäre, nein, das nicht. Und wenn er es recht bedachte, war er sogar ein vorzüglicher Revolutionär. Er überlegte, welche seiner vielen Fähigkeiten er einbringen konnte, wenn’s endlich so weit wäre mit dem Erstürmen der Barrikaden. Viel fiel Herrn Schweitzer nicht ein. Die rote Fahne schwenken, vielleicht. Oder Flugblätter verteilen.
Sei es wie es sei, jedenfalls zechte er mit seinem neuen Kumpanen Harald ein Bier nach dem anderen. Ob Harald sein richtiger Name war, oder ob es sich um einen im revolutionären Untergrund gebräuchlichen Decknamen handelte, wußte Herr Schweitzer natürlich nicht. Es war ihm auch egal, so lange nur der Zapfhahn nicht versiegte. Darüber vergaß er gänzlich seine Liebste Maria, der er versprochen hatte, nicht so lange zu machen.
Der aus Crailsheim stammende Harald schlug dann zu später Stunde noch vor, in eine Disco-Beach-Bar zu gehen. Alkoholselig hatte Herr Schweitzer sofort seine Begeisterung hierfür kundgetan und erst ein paar Sekunden später darüber gestutzt, wie ein Binnenland wie Laos zu einem Strand kommen konnte. Aber dann fiel ihm ein, daß sich auch in Frankfurt Beach-Bars befanden. Unten am Main. Mit aufgeschüttetem Sand und Sonnenschirmen. Und dort mit Cabriolets vorzufahren, war besonders hipp, wie Herr Schweitzer bei einem Abendbummel mit Maria vor ein paar Monaten mal beobachtet hatte.
Doch bevor sich der alte Knochen Schweitzer nach langer Zeit mal wieder in eine Disco aufmachte, ließ sich Harald vom Wirt noch eine laminierte Karte geben, die in einem Geheimfach unterm Tresen lag und ganz offensichtlich nicht für jeden bestimmt war. Ob er denn auch rauche, wurde Herr Schweitzer gefragt. Diesmal schaltete er verdammt schnell: „Logo.“ Ein Marihuana-Joint kostete zehntausend Kip, las er, Harald über die Schulter blickend. Außerdem wurden noch Pilze und Opium angeboten. Jay Dee, der Barbetreiber, und Harald kannten einander offenbar.
Über einen langen Holzsteg gelangte man zur Bar auf einer etwas größeren Insel mitten im Fluß. Herr Schweitzer war hier eindeutig der älteste. Manche der jugendlichen Rucksackreisenden schätzt er auf unter volljährig. Aber das lag wohl eher daran, daß die Jüngeren umso jünger wirken, je älter man selbst wird. Smoke on the water von Deep Purple schallte über das weitläufige Gelände. In seinem Suffkopp sah er Nebelschwaden über die Ufergestaden ziehen. Da Harald die Joints bezahlt hatte, organisierte Herr Schweitzer nun zwei Bier an der Bar, bevor man sich auf einer Pritsche am Wasser niederließ. Die sich durch die leichte Strömung bewegenden Kieselsteine erzeugten eine kontemplative Atmosphäre, der sich auch Herr Schweitzer nicht entziehen konnte. Er zog die Birkenstöcke aus und ließ den Sand durch seine Zehen rinnen.
Es war das beste Gras seines Lebens. Bereits nach zwei Zügen war er völlig stoned. Daheim hätte er sich sofort ins Bett gekuschelt und sich seinen Phantasien hingegeben. Doch bis zum Bett war es bestimmt ein Kilometer. Und Bewegung war das Absurdeste, was er sich nun vorzustellen vermochte. Schon bald diente ihm der Balken an der Seite als Kopfkissen. Harald hielt es genauso, legte sich ihm gegenüber. Ab und an am Bier nippend, schwadronierte man ganz allgemein über’s Leben, erzählte von zu Hause und wie blöd dort alles sei. Überall nur Zwänge, keine richtige Lebenslust in Deutschland und sowieso alles nur spießbürgerlich bis zum Abwinken. Ach, könnte man doch ewiglich hierbleiben. Und die Musik sei auch dufte, hier, in diesem Shangri-La von Laos. So etwas gäbe es nur noch ganz selten auf der Welt. Und diese Relaxtheit. Sagenhaft.
Als Harald den nächsten Joint entflammte, war Herr Schweitzer schon weitestgehend hinüber. Trotzdem fackelte er nicht lange und ging noch weitere Getränke holen. Er kam gleich mit vier Flaschen wieder, da ihm das Gehen nun doch sehr, sehr schwer fiel und er es vermeiden wollte, in absehbarer Zeit wieder an den Tresen zu torkeln. Auf der Tanzfläche wurde inzwischen entfesselt geschwoft. Ihm war, als sei er auf einer Zeitreise mitten in der Flower-Power-Szene San Franciscos der späten
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