Opium bei Frau Rauscher
Vergangenheit.“
Na also, warum nicht gleich so, dachte Herr Schweitzer, und schwieg beharrlich. Da die Sonne inzwischen um den Schatten spendenden Baum gewandert war, verrückte er den Stuhl um einige Zentimeter. Er schlug die Beine übereinander. Die lautstarken Spanier rückten ebenfalls Stühle. Ein paar pickende Tauben suchten das Weite.
„Soso, eine kriminelle Vergangenheit. Totschlag?“
„So genau weiß ich das auch nicht. Aber er hatte Spielschulden, die habe ich beglichen, bevor wir heirateten. Und so viel war es ja auch nicht. Zwanzigtausend Mark, es hätte schlimmer kommen können. Und Jürgen hat danach auch nie wieder gespielt.“
„Nur Spielschulden? Nicht unbedingt das, was man als kriminell bezeichnet.“
Und wieder hatte Herr Schweitzer mit seinem Tipp ins Blaue ins Schwarze getroffen.
Sabines Blick senkte sich auf den Boden. Sie sah ihren Schuhen beim Scharren im Kies zu. Ganz leise: „Erpressung.“
Herr Schweitzer hatte es gehört. „Wie bitte?“
Wahrscheinlich sprach keiner der Spanier auch nur ein Wort Deutsch, trotzdem benutzte sie die rechte Hand als Dämmung: „Erpressung. Aber Jürgen war nur ein Handlanger, er kam mit Bewährung davon.“
„Und jetzt, nachdem du die Pistole gefunden hast, denkst du …“
„Ja. Bestimmt hat ihn seine Vergangenheit eingeholt. Der Haupttäter hat damals zehn Jahre bekommen. Die sind jetzt um.“
Daran hatte Herr Schweitzer nicht gedacht, eher daran, daß Jürgen von sich aus wieder aktiv wurde. Er war aber ehrlich genug zu sich selbst, um sich einzugestehen, es lag wohl eher an Jürgens äußerem Erscheinungsbild, daß er so dachte. „Und was genau willst du jetzt von mir?“
„Daß du Jürgen mal auf den Zahn fühlst und rauskriegst, ob er wieder auf die schiefe Bahn gerät. Unsere Ehe läuft ziemlich mies, der Schein wird nur noch nach außen gewahrt, aber trotzdem …“
Ein Scheißauftrag, resümierte Herr Schweitzer. Ehen, die aus dem Ruder gelaufen sind, diese Art von Schnüfflertätigkeit war ihm zuwider. Schon bei seinem Schwager Hagedorn, für den er früher ab und an detektivisch unterwegs war, hatte er sich dagegen gesträubt. Sollten sich doch alle scheiden lassen, wenn nichts mehr ging. In schmutziger Wäsche rühren war nicht sein Ding. „Hundert Euro die Stunde plus Spesen.“
Das war als Abschreckung gedacht, doch zu Herrn Schweitzers grosser Verwunderung zückte Sabine ein Heft, trug viertausend Euro ein und überreichte ihm den Scheck. „Gehört der Kaffee auch zu den Spesen? Gut, dann zahle bitte für mich mit.“
Herr Schweitzer war übertölpelt.
„Und wenn du mich morgen vormittag im Laden besuchst, bringe ich dir die Unterlagen über die Erpressungsgeschichte mit. Ich habe sie schon rausgesucht. Jürgen hat morgen frei.“
Von einer unscheinbaren Maus zur resoluten Geschäftsfrau, so schnell konnte es gehen im Leben. Fassungslos sah er Sabine hinterher. Auf dem angrenzenden Parkplatz bestieg sie einen silbergrauen Benz der S-Klasse. F-SI, las Herr Schweitzer. SI für Sikora, so lautete der Familienname des Juwelierehepaares. Beim Anfahren wirbelte Staub auf. Das erinnerte Herrn Schweitzer an seine nächste Fahrstunde. Gedankenverloren blickte er auf den Scheck. Viertausend Euro, na prima, da konnte er Maria heute groß zum Essen ausführen. In Gedanken türmten sich vor ihm schon allerlei Leckereien vom Japaner in der Fahrgasse in Hibbdebach an der Konstabler Wache. Jeder hat seinen Preis, ich auch. Ihm ging es gar nicht mal so schlecht, und übertölpelt fühlte sich Herr Schweitzer auch nicht mehr. Er ließ die Rechnung kommen.
Sashimi, Shu-Mai und Harumaki hatten Herrn Schweitzers Befindlichkeit ins Elysische gesteigert. Nun entstieg er mit Maria dem Taxi, das sie ins Weinfaß gebracht hatte. Dort wollte er nämlich heute abend noch groß auftrumpfen und die eine oder andere Runde auf seinen ersten Auftrag als angehender Detektiv springen lassen. Halbe Sachen haßte er. Zu seiner größten Freude war der harte Kern der Sachsenhäuser Trinkergilde anwesend. Bertha, die Wirtin, der Apfelweinkellner Buddha Semmler, Marias Freundin Karin samt Freund Weizenwetter und auch Ferdi, der Taxifahrer, der in letzter Zeit gar arg seine Arbeit vernachlässigte, hatten sich am Tresen versammelt. Wie schon so oft wurden von diesem Kompetenzteam große humanistische Weltfragen erörtert, wie, zum Beispiel, ob und wann das Ausflugslokal Gerbermühle endlich wieder seine Pforten öffnete, oder was davon zu halten war,
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