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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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sowohl Maria als auch Herr Schweitzer dieses Wissen um des Kellners temporäre Fehlorientierung für sich. So geschah es, daß nur ein paar Köpfe geschüttelt wurden und René und Earthquake-Werner den Vogel zeigten. Die Gespräche wurden fortgesetzt.
    Selbstverständlich gelangte man schließlich auch zum Thema des Tages. Der Mord oben im Bischofsweg. Den wildesten Spekulationen wurden Tür und Tor geöffnet. Herr Schweitzer hatte sich schon die Stellen herausgesucht, an denen er seine Geschichte ausschmükken konnte, doch niemand fragte ihn. Er hätte seinen letzten Cent darauf verwettet, daß wenigstens Maria ihre Freundin Karin ins Bild gesetzt hatte. Gleich am Nachmittag, als er stundenlang geschlafen hatte. Er nahm Karin genauer in Augenschein. Ihre Miene blieb unbewegt. Entweder sie schauspielert, überlegte Herr Schweitzer, oder sie ist tatsächlich unwissend. Auch von Maria kam kein Kommentar, der ihn betraf. Auch gut, dachte er, da bin ich heute besser mal still, man muß sich ja nicht immerfort in den Vordergrund schieben.
    Nach wie vor wollte sich Herr Schweitzer nicht betrinken. Nach für seine Verhältnisse gerade mal drei läppischen Bieren verließ er mit Maria zusammen das Weinfaß.
    Im 8976 Kilometer von Sachsenhausen entfernten Bangkok herrschten ganz andere Wetterverhältnisse. Die selbst nach der Mitternachtsstunde noch tropischen Temperaturen ließen die Hemden und Hosen ungeübter Mitteleuropäer am Körper kleben. In den Hotelzimmern liefen die Klimaanlagen auf Hochtouren.
    Vom Balkon ihrer Suite aus genossen Waldemar und Lothar den Blick nach Westen über den Chao Praya. Noch immer verkehrten unzählige Schiffe und Fähren auf dem Fluß. Mit den Augen von Neuankömmlingen sogen sie die Lichter der Stadt auf. Leise und gedämpft drangen die sphärischen Klänge der Band, die unten im großen Saal für Touristen aufspielte, bis in den zehnten Stock des Luxushotels. Das Zimmer war für zwei Nächte gebucht, dann wollte man weiter in den Norden. Der Roomservice hatte eine Flasche edelsten Champagners vorbeigebracht. Wie alle anderen Megastädte dieser Welt ruhte Bangkok nie.
    „Auf was möchtest du trinken, Lothar?“
    „Auf Simon Schweitzer. Ich hätte nie geglaubt, daß der sich so leicht reinlegen läßt.“
    „Jetzt kann ich es dir ja sagen: Ich auch nicht.“
    „Du Gauner. Das sagst du mir erst jetzt.“
    „Ich habe nicht gesagt, daß es nicht klappt. Ich dachte nur nicht daran, daß es keine Komplikationen geben würde.“
    „Auf Simon Schweitzer und unsere Zukunft.“
    „Prösterchen.“
    „Prost.“
    Ein Foto von am Eisernen Steg im Einsatz befindlichen Tauchern schmückte die Titelseite der Frankfurter Rundschau. Mit großem Interesse hatte Herr Schweitzer den Artikel gelesen. Die mutmaßliche Mörderin Sabine S. habe man in den frühen Morgenstunden unmittelbar an der Alten Brücke aufgegriffen. Sie habe einen sehr verstörten Eindruck gemacht. Der Wagen, in dessen Kofferraum man die Blutspuren gesichert habe, sei zur forensischen Untersuchung abgeschleppt worden. Mehrere Dutzend Taucher seien dabei, den Main bis zur Griesheimer Schleuse nach der Leiche abzusuchen. Bisher jedoch ohne Erfolg. Ein Polizeisprecher verkündete, dies sei aber nur eine Frage der Zeit. Die schweren Regenfälle der letzten Wochen und die damit einhergehende starke Strömung erschwere die Arbeit gar arg. Im Innenteil, wo der Bericht fortgesetzt wurde, erblickte Herr Schweitzer das Foto, das Sabine bei ihrer Ankunft im Polizeirevier auf der Offenbacher Landstraße zeigte. Das heißt, nur ein Insider, also er, konnte Frau Sikora unter der über ihren Kopf gestülpten Decke vermuten. Außerdem hieß es ungewohnt optimistisch, auch ohne Leiche sei der Fall so gut wie abgeschlossen, das Beweismaterial sei erdrückend.
    Mein Beweismaterial, dachte Herr Schweitzer, als er die Zeile las. Sehr früh war er aufgestanden. Maria schlief im Nebenzimmer, er selbst saß in der Küche. Er legte die Zeitung beiseite und nahm jene Visitenkarte in die Hand, die ihm gestern der Polizist gegeben hatte, als er Marias Fotoapparat zurückbekommen hatte. Er wendete sie zwischen den Fingern. Hab ich sie noch alle, fragte sich Herr Schweitzer schließlich, ich werde doch nicht mit dem Elend anderer Leute Geld verdienen wollen? Wütend über sich selbst zerriß er die Karte in tausend Schnipsel. Er nahm seine Brille ab.
    Zehn Minuten später betrat er mit einem liebevoll hergerichteten Frühstückstablett sein Zimmer. Maria

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