Opium bei Frau Rauscher
Minuten versuchte sich der Detektiv in die Lage von Jürgen und Lola zu versetzen. Nicht immer gelang ihm das. Als sei er ein Ehetherapeut, mußte er sich Dinge anhören, die bei ihm unter normalen Umständen ein Gähnen hervorgerufen hätten. Wie ferngesteuert erzählte Lola penibel von jedem noch so unwichtigen Detail aus Jürgens Eheleben. Unterdrückt habe Sabine ihren Gatten all die Jahre. Um jeden Euro mußte er betteln. Ein zerbrochener Mensch sei er gewesen, als sie sich vor einem Jahr kennenlernten. Nur mühsam sei es ihr, Lola, gelungen, aus Jürgen wieder einen lebensfähigen und selbstbewußten Mann zu machen. Doch immer, wenn sie sich ein paar Tage nicht gesehen hätten, sei er wieder in das seelische Loch gerutscht, aus dem sie ihn zu befreien suchte. Und immer schlimmer sei es geworden mit Sabines Großmannsucht, mit vollen Händen habe sie das gemeinschaftlich erwirtschaftete Geld ausgegeben.
Kommt die bald zur Sache, fragte sich Herr Schweitzer zwischenzeitlich.
Tja, und dann habe Sabine Wind von der Sache zwischen Jürgen und ihr bekommen. Das war der Zeitpunkt gewesen, an dem ihnen zum ersten Mal der Gedanken gekommen war, einfach zu verschwinden, alles hinter sich zu lassen und einen Neuanfang zu wagen. Und weil Sabine ja so grenzenlos jähzornig ist, war ihnen die Idee mit dem vorgetäuschten Mord gekommen. Über Wochen habe sie, Lola, Jürgen Blut abgezapft, sie habe eine abgeschlossene Berufsausbildung als Krankenpfleger, kein Problem also. Das Blut habe man im Kühlschrank gelagert und dann auf dem Boden des Tatorts verteilt. Alles sollte so aussehen, als habe Sabine tatsächlich ihren Gatten erschossen und dann im Main versenkt. Und das mit ihm sei reiner Zufall gewesen. Jürgen habe Herrn Schweitzer durch die Kamera entdeckt, die über der Tür angebracht ist und dazu dient, ankommende Besucher zu identifizieren. Jürgen wollte, während sie Sabine anrief und ihr mitteilte, ihr Gatte vergnüge sich gerade mit einer anderen, nur mal sehen, ob man bei dem Regen, der an diesem Tag niederprasselte, durch die Kamera noch etwas erkennen konnte. Natürlich habe Jürgen seine Pistole vorher mit Platzpatronen geladen. Allerdings habe man nicht damit gerechnet, daß Sabine die Waffe bei ihrer Flucht mitnehmen würde. Das sei wohl ein Fehler gewesen. „Deswegen habt ihr uns auch so schnell gefunden. Weil ihr bei der Untersuchung der Waffe festgestellt habt, daß Platzpatronen abgefeuert wurden. So wußtet ihr, daß Jürgen noch lebt. Hab ich recht?“
„Die Pistole ist bis heute verschwunden“, sagte Herr Schweitzer knapp. „Warum habt ihr die Sache nicht einfach abgebrochen, als ihr mich in der Kamera gesehen habt.“
„Wollten wir ja auch. Aber dann haben wir uns gedacht, es sei doch gar nicht so schlecht, wenn es einen zusätzlichen Beweis gibt. Daß du uns im Auftrag von Sabine beschattest, wußten wir da bereits. Du erinnerst dich, als du das Foto von uns bei der Frau Rauscher gemacht hast? Glaubst du vielleicht, wir haben nicht gemerkt, was du in Wirklichkeit fotografiert hast? Frau Rauscher bei Nacht, so ein Unsinn.“
Eifrig machte sich Herr Schweitzer Notizen. Er hoffte, seine Klaue späterhin auch lesen zu können. Er hielt inne: „Habe ich noch was vergessen?“ Seine Augen wanderten zum Oberkommissar.
Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit war er voll bei der Sache: „Das Opium bei der Frau Rauscher.“
„… kommt aus Laos“, vollendete Jürgen.
„Und? Was wolltet ihr damit in Sachsenhausen?“ fragte Herr Schweitzer.
Lola und Jürgen warfen sich erstaunte Blicke zu. Es war wieder der Travestit, der das Wort führte: „Wie habt ihr denn das herausbekommen?“
Das bißchen Eigenlob tat Herrn Schweitzer gut: „Ich habe euch dabei beobachtet, wie ihr die Kassette hinter der Frau Rauscher vergraben habt. Außerdem haben wir bei der Hausdurchsuchung noch einen chinesischen Glücksstein im Sicherungskasten gefunden.“ Und an Jürgen Sikora gewandt: „Sag bloß, du warst so dreist, und hast die Glückssteine erst von Laos nach Thailand und dann von Bangkok nach Frankfurt geschmuggelt?“
„Das war überhaupt kein Problem“, erklärte er. „Ich habe Sabine gesagt, chinesische Glückssteine ließen sich in Frankfurt prima verkaufen, und die Gewinnspanne sei enorm. Außerdem haben wir auf dem Nachtmarkt in Chiang Mai sowieso viel Silber- und Goldschmuck für unser Geschäft eingekauft. Und wenn Sabine irgendwo Geld riecht, ist sie nicht mehr aufzuhalten. Der Zoll auf dem
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