Opium bei Frau Rauscher
die Sedlurak ihren Monolog offenbar beendet hatte: „Du kannst mich mal.“ Damit drückte er die Aus-Taste.
„Wieso kann die dich mal?“
„Diese eingebildete Schnecke verlangt von mir, daß ich ihr noch heute den Bericht schreibe. Der kann bis morgen warten.“
„Und was war allerhand?“
„Jürgen Sikora hat sich im Central Prison von Chiang Rai erhängt.“ Das sagte der Oberkommissar in einem Tonfall, als habe er gerade Tomatensoße auf sein Hemd gekleckert. „Das kam vor einer Stunde per Fax im Präsidium an. Von mir aus kann sich ab sofort erhängen, wer will.“
Herr Schweitzer stellte Gleichgültigkeit zur Schau: „Soso, erhängt sich der Knabe also. Wer hätte das gedacht?“ Doch in seinem Inneren löste diese Nachricht Erstaunen und Irritation hervor. „Wie hat er sich denn erhängt?“
„Was weiß ich? Vielleicht mit seinem Gürtel, vielleicht mit einem Seil. Ist doch vollkommen egal.“
Egal ist ein Handkäs, dachte Herr Schweitzer wie ein Frankfurter.
Als das Taxi im Mittleren Hasenpfad vor seiner Haustür hielt, rief ihm der Oberkommissar zu: „Wir treffen uns heute nachmittag, ich hol dich ab. Mal sehen, wie wir der Sabine noch den Abend versauen können.“
Herr Schweitzer tat einen Schnaufer. „Okay, bis nachher.“
Nach all den Strapazen der letzten Tage verwunderte es kaum, daß er das enervierende Geräusch seines Weckers, das Schellen an der Tür und den Klingelton des Mobiltelefons mühelos in seinen Traum integrierte. Mehrere Feuerwehrautos eilten herbei, um Herrn Schweitzer vom lichterloh brennenden Henninger-Turm zu erretten. Erst der allerletzte Versuch Schmidt-Schmitts fruchtete. Tranig schlurfte ein neben sich stehender Detektiv zur Tür. „Was is’n los?“ fragte er verdrossen in die Gegensprechanlage.
„Was los ist, du Schnarchnase? Ich bin’s, der Mischa. Wir sind verabredet, ehrwürdiger Meister.“
Des Oberkommissars blumige Ausdrucksweise brachte Herrn Schweitzer wieder in die Realität zurück. „Oh, bin gleich soweit.“
Wenn Frauen sagen, sie seien gleich soweit, dauerte es mitunter noch Stunden. Lediglich in Notsituationen wie real brennenden Henninger-Türmen und anderen Gebäuden konnten sie auf’s Schminken und Herrichten verzichten, sie begnügten sich dann mit dem Suchen der Handtasche und dem Hineinstopfen einiger tausend unabdingbarer Utensilien für den Lebenserhalt. Manchmal hatte Herr Schweitzer ähnliche Charakterzüge. Zugute halten mußte man ihm heute allerdings, daß er nach der langen Reise stank wie eine Kläranlage in den Tropen. Er würde mindestens noch eine Viertelstunde benötigen, bis er sich wieder unter Menschen wagen konnte. „Kannst du noch mal hochkommen? Ich muß erst duschen.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte er den Knopf und öffnete die Wohnungstür. Als er Schmidt-Schmitts Kopf über dem Treppengeländer auftauchen sah, sagte er in den Hausflur: „Setz dich so lange in die Küche, bis ich fertig bin.“
Des Bullen „Der Streifenwagen wartet unten“ hörte er nicht mehr. Oder vielmehr: wollte es nicht hören.
Zeit seines Lebens war Herr Schweitzer ein regelrechter Warmduscher gewesen. Doch außergewöhnliche Situationen erforderten außergewöhnliche Maßnahmen. Heute war so ein Tag. Bei warmem Wasser wäre er selbst im Stehen sofort wieder eingeschlafen. Als der erste polarkalte Strahl seinen Körper erreichte, mußte er die Luft anhalten, ansonsten er von einem Herzstillstand heimgesucht worden wäre. Auch so setzte seine Pumpe ein paar Schläge lang aus.
Dank dieser seiner Radikalkur war er wieder einsatzfähig. Obschon es zum Fönen und Kämmen nicht mehr gereicht hatte, war er wieder Mensch und konnte die Lage peilen. „Hallo Mischa. Kaffee?“
Schmidt-Schmitt wiederholte: „Unten wartet ein Streifenwagen auf uns.“
Weil Herr Schweitzer gerade den Führerschein machte, kannte er sich damit aus: „Im Halteverbot?“
„Äh, nein.“
„Na also. Mit Zucker und Milch?“ In aller Seelenruhe bediente er die Kaffeemaschine. Um Kleinigkeiten würde er sich später kümmern, jetzt galt sein alleiniges Begehr dem Koffein.
„Schwarz, bitte.“ Der Oberkommissar war lange genug auf der Welt, um zu wissen, wann es Sinn machte, jemanden zu drängen, und wann nicht. Wie jedermann brüstete er sich stets mit Menschenkenntnis. „Und wenn’s geht, stark.“
„Mein Kaffee ist immer stark“, empörte sich der Detektiv. „Sonst kann man’s ja auch gleich seinlassen. Äh, was wollten wir heute noch
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