Opium bei Frau Rauscher
Mittagsstunde in diversen Kneipen irgendwelche ihrem Schwachmatengeist entsprechende Videofilme reinzogen – beati pauperes spiritu. In einem kleinen Verkaufsladen mit einem einzigen hölzernen Schemel davor trank er einen Mango-Saft. Das war ganz einfach. Mango hieß nämlich auf Englisch Mango.
Löcher in die Luft guckend fand er seine Maria in der Hängematte auf dem Balkon ihres Bungalows wieder.
„Na, wo warst du denn?“
„Da drüben“, Maria wies über den Nam Xong, „ein bißchen spazieren. Und du?“
„Auch. Hab mir das Städtchen angeschaut.“
„Und? Hast du ein nettes Restaurant für heute abend entdeckt?“
„Viele.“
Apfelwein gab’s in Laos nicht. Der Selbstversuch mit dem Opium war für Herrn Schweitzer kein Wermutstropfen, sondern eine Wermutflasche gewesen. Und der Mensch war nun mal so geschaffen, daß er selbst das Paradies noch verschönern wollte. Deshalb lassen sich Urlauber, egal wo auf der Welt, auch immer die Hucke bis zur Besinnungslosigkeit vollaufen. Führende Nationen auf diesem Gebiet sind die Skandinavier, Briten und Russen. Aber auch die Deutschen haben da schon manche Schlacht geschlagen. Ihr bevorzugter Kriegsschauplatz ist bis zum heutigen Tage Mallorca, kurz Malle genannt. Kleinere Scharmützel finden aber auch in anderen Erdteilen statt. Zum Beispiel hier, in Vang Vieng.
Herr Schweitzer saß in einer Eckkneipe vor einem Glas Bier und beobachtete das touristische Treiben. Hin und wieder wehte schwach eine süßliche Marihuanawolke zu ihm herüber. Schon längst hatte er mit seiner detektivischen Spürnase eine kleine Gruppe bayrischer Traveller als Verursacher ausgemacht. Er überlegte, ob er einfach hingehen und fragen sollte, wo sie denn das feine Gras erstanden haben. Doch Herr Schweitzer traute sich nicht. Stattdessen folgte er ihnen, als sie aufbrachen. Sie gingen nicht weit.
Das Jay Dees war eine zur Straße offene Bar, aus der Reggaemusik dröhnte. Und Herr Schweitzer war welterfahren genug, um zu wissen, daß dort, wo der Rastafari-Kultur gehuldigt wurde, Drogen nicht weit sein konnten. Er erklomm einen Hocker an der Stirnseite der Theke und bestellte sich eine Cola. Weiter hinten versuchten sich dauerbetrunkene Inselaffen am Billardspiel. Der junge, am Oberarm tätowierte Wirt hatte erstklassige Laune. Grinsend und singend mixte er die Longdrinks und bediente die Kundschaft. Viel los war noch nicht. Etwa zwanzig ausschließlich jugendliche Touristen verloren sich in der Bar. Herr Schweitzer vermutete ganz richtig, daß die meisten noch beim Abendessen waren. Die Bayern hatten sich auf den arabischen Liegen mit den pyramidenförmigen Kopfstützen niedergelassen. Aus den Augenwinkeln sondierte er unauffällig die Szene. Drogendeals waren bislang nicht über die Bühne gegangen.
Nach und nach füllte sich die Kneipe. Herr Schweitzer war schon längst beim vierten Bier angelangt, als ein etwas seltsamer Zeitgenosse in giftgrüner Trainingshose mit dem PUMA-Puma als Logo ihn auf Englisch fragte, ob der Platz neben ihm noch frei sei. Auf dem Kopf trug er eine hellblaue Mütze, die der rote fünfzackige Stern der Weltrevolutionäre zierte. Cool nickte Herr Schweitzer.
„Deutscher?“ fragte der Neuankömmling.
„Yes … äh, ja. Sieht man mir das an?“
„Nicht direkt. Aber deine Sandalen …“
Herr Schweitzer warf einen Blick nach unten. Birkenstock. Ach du große Scheiße, dachte er, da gibt man sich alle Mühe, so international wie irgend möglich auszusehen, und dann so ein Fauxpas, da hätte ich mir ja auch gleich die Deutschlandflagge auf die Stirn pinseln können. Sein Kopf begann vor Scham zu glühen.
„Macht doch nichts. Ist doch nicht wie früher. Seit Klinsi spielen wir doch wieder guten Fußball. Braucht man sich doch nicht mehr schämen, jetzt.“
Nun sah Herr Schweitzer auch den Borussia Mönchengladbach-Aufnäher auf seines Sitznachbarn Rucksack. Ein Fußballfreak also. Er schätzte ihn auf etwas über vierzig. Fußball und Revolution, paßte das überhaupt zusammen? War Fußball nicht ein Spiel, und Brot und Spiele nicht eine kapitalistische Erfindung, um die Arbeiterklasse ruhigzustellen, sie vom revolutionären Gedankengut abzulenken?
„Ich halte mehr zur Eintracht“, erklärte Herr Schweitzer.
„Frankfurter?“
„Yeap. Waschechter.“ Wenn er etwas über das übliche Maß hinaus beherrschte, dann war es, sich auf des Gesprächspartners Jargon einzustellen.
Und wie das so ist im Urlaub, man ist in Urlaubsstimmung. Trinkt
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