Opium bei Frau Rauscher
Revierleiter eingewilligt. Und wieder war Herr Schweitzer mittendrin statt nur dabei. Für die nahe Zukunft wünscht er sich, eine etwas ruhigere Kugel zu schieben.
Doch nach Wunsch lief es noch lange nicht. Die beiden Polizisten unterhielten sich leise, während er überlegte, wie er am besten zu seiner Liebsten gelangte. Seit seiner Rückkehr hatten sie noch nicht einmal miteinander telefoniert, geschweige denn geschmust. 36er-Bus, Taxi oder doch zu Fuß, war die Frage, die ihn gerade beschäftigte.
Herr Schweitzer dachte sich nichts dabei, als die zwei Herren auf ihn zutraten.
„Du, sag mal, wie spät ist es eigentlich?“ wollte Frederik Funkal von ihm wissen.
Er streckte seinen Arm nach vorne, auf daß der Ärmel seines Mantels die Sicht auf die Uhr freigab. „Viertel nach acht.“ Noch immer war er arglos.
Mit der Schnelligkeit eines hauptamtlichen Taschenspielers schlossen sich Schmidt-Schmitts Handschellen um sein linkes Handgelenk. „Du bist verhaftet.“
Herr Schweitzer war sich keines Verbrechens bewußt. „Hey, was soll das?“
Ein gerade vorbeikommender Austräger von Reklamezetteln wich erschrocken zurück, als er durch das Klicken aus seinen Gedanken gerissen wurde. Den Bogen, den er nun beschrieb, war größer als nötig. Auf seinem indischen Antlitz spiegelte sich Erstaunen, gemischt mit Panik. Seine Aufenthaltsgenehmigung war abgelaufen.
„Tatortbesichtigung“, erklärte der Oberkommissar knapp, aber unzureichend.
„Jetzt?“
Statt einer Antwort legte sich Schmidt-Schmitt die andere Hälfte der Handschellen an. Den Schlüssel übergab er Funkal. „Erst öffnen, wenn wir da sind.“
„Zu Befehl, Chef.“
Das Gefühl des kalten Metalls an seiner Hand irritierte ihn. Es war Herrn Schweitzers Premiere. Nicht mal Maria mit ihrer schier unendlichen Phantasie war je auf die Idee gekommen, diese Dinger bei ihren Sexspielen zu benutzen. Er sah zu, daß er mit Schmidt-Schmitt Schritt hielt. Er war nicht der Typ, der auf Schmerzen stand. Ihm war klar, die Polizisten spielten gerade mit ihm, auch wenn er nicht wußte, was.
Als sie die Dreieichstraße erreichten, dachte er, sie wollten zum Taxistand an der Großen Rittergasse. Doch weit gefehlt, vorher bog man in die Klappergasse ein.
Aha, dachte der Detektiv nun, die möchten bestimmt zur Frau Rauscher, damit diese mich anspuckt. Mannohmann, die sind aber ganz schön kindisch. Doch was soll’s, laß ihnen halt den Spaß, ich kann sowieso nichts dran ändern.
Wiederum lag Herr Schweitzer mit seiner Vermutung falsch. Ebenso schnell, wie er ihm vor kurzem die Handschellen angelegt hatte, öffnete Schmidt-Schmitt nun mit seiner Kreditkarte die Hintertür der Frau Rauscher. Der schwulen Frau Rauscher. Das Denkmal war eher geschlechtsneutral.
„Wie Luis Trenker einst so weise von sich gab: Der Apfelwein ruft“, flachste der Oberkommissar, nachdem Funkal die Beleuchtung eingeschaltet hatte.
„War das nicht der Berg, der ruft?“ erwiderte Herr Schweitzer.
„Richtig. Berge von Apfelwein. Und Bier. Und Schnaps.“ Während der Oberkommissar dies sagte, irrten seine Augen umher. „Hmm, Simon, siehst du hier irgendwo ein Rohr oder etwas ähnliches, wo ich dich festmachen kann?“
„Nur dumme Kälber wählen ihren Metzger selber.“
Schmidt-Schmitt lachte und übergab ihm sein Handy. „Sei jetzt bitte so gut und bestelle alle Leute her, die du kennst.“
„Wozu?“
„Abschiedsvorstellung von mir und der schwulen Frau Rauscher. Wir saufen jetzt den Laden leer. Frederik, wie sieht’s aus?“
„Unten sind noch drei Fässer. Im Kühlschrank ist jede Menge Apfelwein. Schnaps steht hier im Regal. Und Cola, aber die können wir uns schenken, oder?“
„Vielleicht zum Mixen. Hütchen und so.“
Herrn Schweitzers Blick glitt über die Flaschenbatterie des Regals. Er dachte, uiuiui, das ist aber viel. Im Prozentrechnen war er gut. Trotzdem tat er sich schwer. Die Aufgabe hätte als Frage im Abschlußtest für angehende Mathematikprofessoren auftauchen können. Wie viele Leute von durchschnittlich fünfundsiebzig Kilo Körpergewicht sind nötig, um bei gleichbleibender Trinkgeschwindigkeit soundsoviel Liter Alkohol in soundsoviel Stunden zu vernichten, auf daß ein jeder Proband unter der angenommenen tödlichen Dosis von 2,8 Promille bleibt? Aber bitte, meine Herrschaften, bedenken Sie, daß der menschliche Körper lediglich 0,1 Promille pro Stunde abbaut. Sie haben zehn Minuten Zeit. „Äh, die Fässer, die unten im Keller sind …
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