Optimum - Kalte Spuren
wäre der Traum einer jeden Großmutter gewesen, mit ihrem unschuldigen Mädchencharme, wäre da nicht die Wut gewesen, die aus ihren Augen blitzte. »Halt gefälligst die Klappe!«, meinte sie in Richtung des Jungen, ohne Eliza dabei aus den Augen zu lassen. »Das geht die da überhaupt nichts an.«
»Was geht mich nichts an?«
Michelle schenkte Eliza einen giftigen Blick und antwortete nicht.
Eliza zog die Augenbrauen zusammen. »Hör mal, ich lasse mich doch nicht von euch einschüchtern. Ihr –«
»Los, los, keine Nachzügler, wenn ich bitten darf.« Frau Friebe kam zu ihnen zurückgefahren und hielt neben Michelle. »Ihr könnt euch doch auch unterhalten, während ihr unterwegs seid. Bei diesem Schneetreiben ist es besser, wenn wir alle zusammenbleiben. Wir wollen uns doch nicht aus den Augen verlieren, oder?«
Yanus wandte sich sofort ab und setzte sich in Bewegung. Michelle und Eliza jedoch blieben stehen und funkelten sich über einen unüberwindlichen Abgrund von knapp zwei Metern an.
»Ich will wissen, was hier gespielt wird«, knurrte Eliza. Sie war selbst ein bisschen überrascht über ihren plötzlich entflammten Kampfgeist.
Michelles Blick war nun richtig geringschätzig. »Schätzchen, wenn du das noch nicht weißt, dann musst du es auch nicht wissen.«
Eliza spürte die Wut in sich brodeln. Doch Michelle wütend anzufunkeln, würde ihr auch nicht weiterhelfen. Stattdessen besann sie sich auf etwas anderes. Warte nur ab, ich kann dich dazu bringen, mit mir zu reden.
Frau Friebe redete neben ihnen irgendetwas, aber weder Eliza noch Michelle achteten weiter auf sie. Eliza verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen, sodass sie nur noch graues Schneetreiben und einen winzigen Ausschnitt von Michelles Gesicht erkennen konnte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass ihr das beim Konzentrieren half. Obwohl alles in ihr dem widerstrebte, versuchte sie, von Michelle als einer Freundin zu denken. Ich mag dich, und du magst mich. Wir sind die besten Freundinnen. Wir passen so gut zusammen. Es war nicht gerade Magie, mehr so, dass Eliza sich selbst in die richtige Stimmung bringen musste, bis diese dann auf andere Leute überschwappte. Wir sollten zusammen was unternehmen. Ich und du. Durch dick und dünn. Sie versuchte, sich einen entspannten Kinoabend zusammen mit Michelle vorzustellen. Stundenlanges Quatschen, wie sie es immer mit Rica tat. Parkspaziergänge.
»Bitte!« Als sie wieder sprach, staunte sie selbst darüber, wie ruhig und freundlich ihre Stimme klang. »Ich meine, wir können doch darüber reden, oder? Es würde mich wirklich interessieren, was du weißt. Ich versuche schon die ganze Zeit, mehr herauszubekommen.« Sie hatte das Gefühl, dieses Mal richtig gut zu sein.
Michelle lachte höhnisch und beugte sich ein bisschen vor, sodass nur Eliza sie verstehen konnte. »Um mich so zu bekommen, musst du noch ein bisschen üben, Mädchen.«
Eliza öffnete die Augen weit und versuchte sich an einem unschuldigen Blick. »Ich habe doch gar nichts gemacht. Ich wollte nur, dass wir gemeinsam –«
Michelle schüttelte den Kopf. »Pass bloß auf, Mädchen. Wenn ich dich noch mal dabei erwische, wie du uns hinterherspionierst, dann wirst du es richtig, richtig bereuen.« Damit wandte sie sich ab und lief in den Schnee hinein, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Kapitel neun
Unfall
Die Stimmung unter den Schülern war gedrückt, als Rica und Nathan zurückkamen. Rica hatte erwartet, dass sie jetzt eine Standpauke bekommen würde, weil sie sich einfach abgesetzt hatte, aber nichts dergleichen passierte. Herr Röhling und Herr Muhlmann versuchten, ein paar der Schüler zu motivieren, der Rest stand im Wesentlichen herum und starrte finster durch die Gegend. Etwas weiter hinten in der Gruppe zankten sich Sarah, Vanessa und Torben mit ein paar Avenir-Schülern, allerdings so leise, dass die Betreuer davon nichts mitbekommen zu schienen.
»Gut, dass ihr wieder da seid«, war alles, was Herr Röhling zur Begrüßung sagte. »Wir haben gerade beschlossen, dass wir eine kleine Pause machen wollen.«
Jetzt schon? Die Worte lagen Rica auf der Zunge, aber sie sprach sie nicht aus. »Eine Pause mitten hier im Schneetreiben?«, fragte sie stattdessen.
»Es gibt eine Skihütte gar nicht weit von hier, da bekommen wir sicher alle heiße Getränke und vielleicht ein bisschen was zum Knabbern«, gab Herr Röhling zurück und deutete den Hang hinauf. Rica wandte ihren Blick in die gezeigte Richtung, konnte aber
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