Optimum - Kalte Spuren
demselben Sinn für Dramatik gesprochen, was Rica ein wenig nervös machte, aber auch ein gespanntes Kribbeln in ihrem Bauch hervorrief.
»Niemand ist wie ich, Schätzchen«, entgegnete Nathan, doch er lachte dabei. »Erzähl mir gern alles. Aber lass uns erst einmal zu den anderen zurückgehen. Sonst drehen die noch irgendwann vollkommen am Rad, weil du nicht wieder auftauchst.«
Rica nickte und folgte Nathan den Hang hinauf.
* * *
Eliza, du bist eine Idiotin. Elizas Nase fühlte sich an, als würde sie vor Kälte gleich abfallen, und ihre Finger spürte sie schon lange nicht mehr richtig. Im selben Moment, als die Kälte von ihr Besitz ergriffen hatte, war die Wut über Rica abgeflaut. Ein Blick zu Robin, der mit todtrauriger Miene durch den Schnee zog, sagte Eliza alles. Rica und Robin hatten Zoff. Deswegen hatte Rica sich Nathan an den Hals geworfen. Es war ihre Art, Robin zu zeigen, dass sie ihn nicht brauchte.
Und selbst wenn es nicht so sein sollte, was interessiert dich das? Es ist ja nun nicht so, dass du und Nathan zusammen seid. Nicht einmal so, dass du dich für ihn interessierst. Er macht dir doch Angst. Oder? Eliza hob ihren Blick ein wenig, um die Schüler vor sich besser erkennen zu können. Neben Robin lief Torben dahin und sprach leise auf ihn ein. Torben. Noch vor wenigen Wochen war Eliza schon bei seinem Anblick ganz nervös geworden, aber das hatte sich jetzt vollkommen gelegt. Nicht dass sie ihn nicht immer noch mochte, aber das Kribbeln war verschwunden.
Jetzt ist es also Nathan? Eliza presste die Lippen aufeinander. Sie kannte den Kerl ja nicht mal richtig. Und neulich Nacht hatte er alles dafür getan, ihr Angst zu machen. Nein, schlag dir Nathan besser aus dem Kopf. Was willst du mit so jemandem? Geheimniskrämerisch, überheblich und einschüchternd. Du hast ja einen prima Geschmack, Eliza.
Sie sollte sich lieber dringenderen Angelegenheiten zuwenden. Zum Beispiel Michelle. Michelle Kaltenbrunn. Oliver Kaltenbrunn. Bei dem Namen hatte Eliza aufhorchen müssen. Sie war sich nicht ganz sicher, wo sie ihn schon einmal gehört hatte, aber etwas daran war wichtig. Irgendwo hatte sie diesen Namen schon einmal gehört oder gelesen, da war sie sich sicher.
»Pass doch auf, wo du hinläufst!« Eliza zuckte zusammen und wollte rasch innehalten, da versetzte ihr jemand schon einen Stoß vor die Brust, der sie taumeln ließ. Sie kämpfte einen Moment lang um ihr Gleichgewicht, bis es ihr gelang, auf den Füßen zu bleiben.
»Sorry. Aber das war ja wohl nicht nötig.« Sie blickte auf. Einer der jüngeren Schüler, ein großer, kräftiger Junge mit struppigen schwarzen Haaren, die unter seiner Skimütze hervorlugten, funkelte sie feindselig an.
»Was war nicht nötig? Wenn du vor dich hin träumst, dann brauchst du halt einen kleinen Weckruf, oder nicht?«, gab er zurück. Er reckte das Kinn in die Höhe, als wolle er Eliza dazu herausfordern, sich mit ihm anzulegen.
»Tut mir leid, ich war in Gedanken.« Etwas regte sich in Elizas Bauch. Wut, merkte sie. Diese kleine Ratte hatte sie einfach geschubst, bloß, weil sie ihm ein bisschen zu nahe gekommen war. »Kein Grund, gleich aggressiv zu werden.« Sie versuchte, ihre Stimme ruhig und besonnen zu halten, auch wenn ihr das gerade im Moment fürchterlich schwerfiel.
»In Gedanken, soso?« Der Junge machte sich noch ein Stück größer. Er wirkte wirklich nicht wie ein Elfjähriger. Mehr wie ein richtiger Teenager. Zusätzlich war er von einer merkwürdigen Aura umgeben. Wild und gefährlich wie ein Raubtier … Eliza hätte ihm in diesem Moment alles zugetraut. Sie wich ein Stück zurück.
»Ist schon okay«, murmelte sie und hasste sich dafür, so einfach aufzugeben. Aber mit diesem Kerlchen wollte sie sich nicht anlegen.
Doch offensichtlich reichte es ihm nicht, sie zum Rückzug bewegt zu haben. Er glitt auf seinen Skiern ein Stück näher an sie heran. »Ich frage mich, was das für unheimlich wichtige Gedanken sein könnten. Es ist ja nicht so, als ob ihr so besonders wärt. Jeder weiß doch, dass Daniel-Nathans-Schüler nur ein misslungenes Experiment sind. Ihr solltet euch besser vor uns in Acht nehmen. Wir sind die wahren –«
»Yanus!« Eine scharfe Stimme wies den Jungen zurecht. Als Eliza sich nach ihr umdrehte, sah sie Michelle, die Hände in die Hüften gestemmt und mit einem ziemlich ärgerlichen Gesichtsausdruck. Ihre Wangen waren vor Kälte gerötet, und die langen Haare fielen ihr in weichen Wellen über die Schultern. Sie
Weitere Kostenlose Bücher