Optimum - Kalte Spuren
wechseln uns mit dem Ziehen ab. Im Dorf unten trinken wir erst mal einen schönen Kaffee und essen Kuchen, dann suchen wir uns jemanden, der die Schlitten mit einem Schneemobil oder meinetwegen auch mit einem Pferd wieder hier raufbefördert .«
Rica musste wieder lächeln. Plötzlich schien aus dem erzwungenen Trip ins Dorf etwas Wildromantisches geworden zu sein, etwas, das aus einem Abenteuerbuch stammen könnte. Sie war gar nicht mehr so sehr verstimmt darüber, zugesagt zu haben. Sie wandte sich Robin zu, lächelte ihn an und griff nach seiner Hand, um ihn zu einem der Schlitten hinüberzuziehen. Er lächelte zurück und drückte ihre Finger leicht.
Es wird ein guter Tag, dachte Rica.
Tatsächlich war der Weg ins Tal eine der schönsten Wanderungen, die Rica je mitgemacht hatte. Zuerst liefen sie zwar fast blind durch das dichte Schneetreiben, aber selbst das hatte seine ganz eigene Romantik.
Nachdem sie den halben Weg zurückgelegt hatten, klarte es merklich auf, und die Sonne schob sich hinter der dicken Wolkenbank hervor. Sofort schien die Landschaft wie ausgewechselt. Die Schneedecke glitzerte, Eiszapfen an Ästen und Brücken schimmerten klar und kalt, die Dächer im Tal lockten wie das Motiv auf einer Weihnachtspostkarte. Rica holte ihre Canon heraus und konnte gar nicht mehr mit dem Fotografieren aufhören. So viele Schneebilder.
Die Wanderung war im Handumdrehen vorbei, und bald saßen sie gut gelaunt bei Kaffee und Kuchen in einem kleinen, gemütlichen Café. Herr Röhling zahlte, und er ließ sich wirklich nicht lumpen. Die Stimmung war gut, Rica lachte und witzelte mit Nathan, Robin und Eliza herum, und selbst Simon und Saskia schienen heute bessere Laune zu haben als sonst. Herr Röhling gab ihnen eine halbe Stunde frei, die Rica, Robin und Eliza für eine weitere ausgiebige Schneeballschlacht nutzten, während Nathan sich kurz verabschiedete, um »etwas zu erledigen « . Er machte ein geheimnisvolles Gesicht dabei und war nicht davon zu überzeugen, mehr zu verraten.
Danach plünderten sie gemeinsam den nächsten Supermarkt. Rica und Eliza luden sich einen Einkaufskorb mit lauter Knabberkram voll, in vollem Bewusstsein, dass ihre Mütter sich darüber fürchterlich aufregen würden, wenn sie davon wüssten. Nathan und Robin begruben für einige Zeit ihre Rivalität und veranstalteten Rennen mit den Einkaufswagen, bis Herr Röhling sie freundlich, aber bestimmt darauf hinwies, dass er sie demnächst allein zum Einkaufen schicken würde, wenn sie so weitermachten.
»Ich lasse euch die Kartoffeln säckeweise den Berg raufschleppen « , meinte er, aber er lachte auch dabei.
Die allgemeine Hochstimmung begann erst nachzulassen, als sie wieder auf die Straße hinaustraten und feststellten, dass es wieder schneite. Dieses Mal nicht in fluffigen weißen Flocken, die an ein Wintermärchen erinnerten, sondern dick und nass. Schnee, dessen Feuchtigkeit sofort durch alle Stoffe zu dringen schien.
Hastig verpackten sie alle Vorräte auf die beiden Schlitten und schnürten die Ladung so gut es ging mit Spanngurten fest, während Herr Röhling sich auf die Suche nach jemandem machte, der ihnen das Zeug den Berg hochzog. Es dauerte lange, bis er zurückkam. Mittlerweile hatte Rica das Gefühl, ihre Füße müssten ihr endgültig erfroren sein. Eliza neben ihr hatte ihren Kopf in die Kapuze zurückgezogen, wie eine Schildkröte in ihren Panzer.
Als Herr Röhling endlich zurückkehrte, hatte er nicht etwa den Fahrer eines Schneemobils bei sich, wie sie alle gehofft hatten, sondern einen älteren Herrn, der zwei noch älter aussehende Pferde am Zügel führte.
»Wie in den guten alten Zeiten « , stellte Herr Röhling mit doch etwas gezwungener Fröhlichkeit fest, während der Mann zusammen mit Nathan und Robin versuchte, die Schlitten halbwegs sinnvoll mit dem Pferdegeschirr zu verbinden.
»Wir werden Stunden brauchen mit diesen Gäulen « , murmelte Saskia.
Sie sollte recht behalten. Die Pferde mochten kräftig genug sein, die Schlitten zu ziehen, aber sie stapften langsam und vorsichtig durch die immer tiefer werdenden Schneewehen, und ihr Besitzer machte auch keinerlei Anstalten, sie anzutreiben. Da Herr Röhling und Frau Friebe darauf bestanden, dass alle beisammen und bei den Vorräten blieben, kamen sie selbst auch nur im Schneckentempo voran. Inzwischen wurde es sogar schon dunkel. Bald war von der wunderbaren Umgebung nichts mehr zu sehen, außer dicht fallendem Schnee und ab und zu mal einem
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