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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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hereinbrechenden Nacht weiter auf die Jagd zu gehen.»Schichte Feuerholz auf«, wies er seinen Hilfsschreiber an. »Am See habe ich eben ein Kaninchen erlegt, das wollen wir zum Abendbrot braten.« In seiner linken Hand hielt er tatsächlich den reglosen Körper eines schwarz-weiß gefleckten kleinen Hasentiers an den schlaff gewordenen Löffelohren.
    Hannes tat wie ihm geheißen. Aus den Eingeweiden ihres Beutetiers bereitete der Unterzensor einen Sud, den er Hannes auf die Beule strich, um Schwellung und Kopfschmerz zu lindern. Die Schmiere auf seiner Stirn stank grässlich und lockte die Fliegen an, aber sie wirkte wundersam: Hannes’ Kopfschmerz verflog, noch ehe sie ihre Kaninchenschenkel abgenagt hatten.
    Nachher lagen sie Seite an Seite hinter einer Dornenhecke, über sich den gestirnten Himmel. »Dieser Junge, Herr«, sagte Hannes, »den wir durch die Wildnis hetzen – vielleicht ist er gar kein Teufel, sondern nur von jenem Kronus verblendet worden.«
    »Wir jagen das Buch, nicht ihn«, knurrte Skythis, aber für seine Verhältnisse klang er fast friedlich. »Wie kommst du überhaupt darauf, Johannes?«
    Darauf hätte Hannes beinahe geantwortet: So wie auch ich gar kein Bücherjäger bin, Herr. Aber noch während er diese Worte dachte, wurde ihm unheimlich zumute, und er sagte stattdessen: »Ich weiß auch nicht, Herr. Aber den eigentlichen Satan, jenen Kronus, führt Gregor doch in seinem Wagen heim?«
    Er hatte selbst nicht gewusst, dass er dem Unterzensor diese Frage stellen würde. Nachdem sie heraus war, lag er mit angehaltenem Atem im Dunkeln und wartete, während Skythis neben ihm längere Zeit nur heiser vor sich hin zu fluchen schien.
    »Ja oder nein«, stieß er schließlich hervor. »Das muss sich weisen. Cellari setzt große Stücke auf den Holzkerl oder auch auf das Lumpen- oder Knochenmanderl, wie derlei im Volksmund wohl heißt. Hast du so ein Gestell und Gesteck aus Knochen, Holz und Lumpenfetzen schon einmal gesehen?«
    Hannes verneinte mit klopfendem Herzen.
    »Ein ausgehöhlter Baumstamm, mit hineingepfropften Menschenknochen und obenauf einem Totenschädel, um den ein Lumpentuch gewickelt wird: Da hast du deinen Lumpenmann. Schwarzmagier verwenden derlei Mummenschanz, um Dämonen zu beschwören – aber sie können sich auch selbst in einen solchen Knochenkerl verwandeln, wenn sie keine andere Ausflucht mehr wissen. Das behauptet jedenfalls Cellari – und angeblich will er den Holzkerl in seinen Martergewölben traktieren, bis Kronus’ Geist daraus hervorkriecht.«
    Lange dachte Hannes über diese unerwartete Enthüllung nach. Und je länger er ihr hinterhersann, desto schauriger wurde ihm zumute. »Und Ihr, Herr«, murmelte er endlich, »was glaubt Ihr?«
    Der Unterzensor knirschte mit den Zähnen, dass seine Kiefer knackten. »Warten wir’s ab. Immerhin hatte der Totenschädel eine bemalte Lumpenmaske um – und darauf gekrakelt waren die Gesichtszüge von Valentin Kronus.« Er drehte sich zur Seite und der Strick um Hannes’ Brust zog sich etwas straffer. »Aber nun schlaf!«, knurrte der Unterzensor noch. »Wir müssen morgen vor dem ersten Hahnenschrei wieder auf den Beinen sein.«
    Diese letzte Bemerkung kam bereits mit Schnarchlauten vermischt heraus. Der Unterzensor schlief bald tief und fest – sein Hilfsschreiber Johannes aber lag unter dem Sternenhimmel und sein Herz klopfte noch immer so wild, dass er sich geradezu davor fürchtete, die Augen zu schließen.
    Ab und an schlummerte er dennoch ein, doch jedes Mal schreckte er gleich wieder hoch. Im Traum kauerte der kleine Bücherteufel erneut über ihm und flüsterte auf ihn herunter: »Ich sollte dich in dem Buch lesen lassen – damit es dich bekehrt.« Und immer im Erwachen dachte Hannes: Ach, wenn er mich doch ließe. Und nur einen holprigen Herzschlag später: Mich zum Satan bekehren? Das verhüte Gott.
    Der Nachthimmel begann sich bereits bleiern zu entfärben, als Hannes endlich in Schlaf sank. Aber kurz darauf rüttelte ihn derUnterzensor schon wieder wach und Hannes sah starr zu ihm empor und konnte sich nicht rühren: Er war ganz und gar zum Knochenmanderl geworden.
    Dann endlich riss ihn Skythis am Strick hoch und Hannes wäre ihm beinahe um den Hals gefallen vor Dankbarkeit. Es war nur ein Traum, nur ein Traum. So redete er sich im Stillen zu, während der Unterzensor ihre Feuerstelle zerstampfte und seinen Gehilfen dabei ansah. »Wo entlang, Johannes?«
6
    O
bwohl ihm vor Müdigkeit
schon die Augen tränten,

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