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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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fand auch Amos in dieser Nacht keinen Schlaf. Einige Zeit war er noch durchs Dickicht gerannt, doch schließlich zwang ihn die hereinbrechende Dunkelheit, sich einen Unterschlupf zu suchen. Auf einem Hügel abseits des Pfades entdeckte er einen Fels, der sah nach Größe und Umriss beinahe aus wie früher Kronus’ Pult: zwei aufrecht stehende steinerne Platten, an einer Längsseite im Winkel aneinander gefügt. Nur das Pultdach obendrauf fehlte, aber es war ja eine warme, wolkenlose Nacht. Und schreiben wollte Amos zwar auch, aber tief verkrochen im Innern des steinernen Buchs.
    Aus seiner Angst war Wut geworden, zumindest hatte die eine sich mit der anderen vermischt. Um
Das Buch der Geister
in seine Hände zu bekommen, war Skythis offenbar jedes Mittel recht. Der Bücherjäger hatte nun schon zum zweiten Mal versucht, ihn mit seiner Streitaxt zu erschlagen oder jedenfalls so zu verwunden, dass er nicht länger fliehen könnte. Sogar seinen eigenen Gehilfen behandelte er nicht besser als einen Hund, und vor allem um den mageren Kerl, der also Johannes hieß, kreisten Amos Gedanken an diesem Abend.
    Er hatte das neue Hemd angezogen und einen der kostbaren Papierbögen mitsamt dem Kohlestift hervorgeholt, die Kronusihm zuunterst in sein Bündel gepackt hatte. Außerdem Kerze und Schwefelhölzer und natürlich
Das Buch
. Bestimmt hatte der alte Mann vorausgesehen, wozu er unterwegs Papier und Stift brauchen würde – und hätte er nicht gewollt, dass Amos sie dafür verwendete, so hätte er ihm die Schreibsachen doch auch nicht mit eingepackt. So jedenfalls legte es sich Amos zurecht. Schließlich war es seine einzige Chance, diese mörderische Hetzjagd zu überleben – die zweite Geschichte an einem sicheren Ort zu lesen, auf diese Weise die Gabe der Gedankenmagie in sich zu erwecken und schlussendlich
Das Buch der Geister
dorthin zu bringen, wo es in Sicherheit wäre.
    Amos zündete die Kerze an und legte Papier und Stift griffbereit vor sich, aber noch begann er nicht mit dem Schreiben. Seinen Rücken in den steinernen Buchfalz gedrückt, ließ er sich seinen Plan erst noch einmal durch den Kopf gehen. Auch wenn er vor Müdigkeit kaum mehr geradeaus denken konnte, durfte ihm jetzt nicht der kleinste Fehler passieren.
    Also: Johannes war mit dem
Buch der Geister
in Berührung gekommen und konnte seitdem irgendwie erspüren, wo sich das Manuskript gerade befand. Dieses Gespür seines Gehilfen war die stärkste Waffe des Unterzensors – aber es war auch eine Waffe, die sich gegen ihn wenden konnte. Dann nämlich, wenn Amos ein wenig nachhalf.
    Denn Johannes war offenbar regelrecht behext von Kronus’ Buch. Er hatte zwar behauptet, dass er lieber sterben wollte, als vom
Buch der Geister
bekehrt zu werden. Aber als er es gestern beim Mühlhof an sich gerissen hatte, da hatte er mit der Gier eines Verdurstenden darin gelesen. Und nur weil der Wölfische ihm eingeredet hatte, dass es ein teuflisches Schriftwerk sei, fürchtete sich Johannes auf der anderen Seite immer noch vor dem Buch und vor seiner Begierde danach.
    Solange Amos
Das Buch der Geister
bei sich hatte, konnte ihn der Wölfische überall aufspüren, indem er sich von Johannes wie von einem Spürhund zu ihm führen ließ. Und da Amos das Manuskriptauf keinen Fall aus der Hand geben durfte, hatte er keine Chance, seine Verfolger abzuschütteln – wie schnell und wie weit er auch vor ihnen davonrannte.
    Außer, er schaffte es, den Spürhund Johannes zu verwirren, ihn von seiner Fährte abzulenken – und Johannes möglicherweise sogar auf seine Seite zu ziehen. Ob ihm das aber gelingen konnte: den Bücherjäger Johannes in einen Freund und Mitbeschützer des
Buchs der Geister
zu verwandeln – indem er ihm happenweise von der ersten Geschichte zu lesen gab?
    Ich muss es versuchen, dachte Amos, es ist meine einzige Chance. Er lauschte in den nächtlichen Wald hinaus. Eulen und Nachtkäuze schwebten zwischen den Bäumen umher. Ab und an war leises Knacksen im Unterholz zu vernehmen, aber das war nur das Trappeln von Luchs- oder Katzenpfoten. Der Unterzensor und sein Gehilfe Johannes schliefen sicherlich längst tief und fest, ermattet von ihrer wilden Jagd. Und wenn sie morgen früh erwachten und sich aufs Neue auf seine Fährte heften wollten – dann musste diese Fährte sie in die Irre führen und zugleich mit Ködern gespickt sein.
    Köder für Johannes, magische Happen aus Kronus’ Buch. Gewiss würde der ältere Bücherjäger über kurz oder lang

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