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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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herum löste sich in funkelnden Nebel auf …

    »Was hast du denn, Johannes?«
    Mühsam hob Hannes seinen Kopf. Es fühlte sich an, als ob er kopfüber bis zu den Schultern in einem Wassertopf gesteckt hätte. Doch als er nun um sich sah, lag er der Länge nach hingestreckt auf einem schmalen, von Wurzeln durchflochtenen Trampelpfad tief im Wald. Erst allmählich fiel ihm alles wieder ein – er war nicht Laurentius Answer, sondern Hannes Mergelin, Gehilfe und Spürhund des Bücherjägers Skythis.
    »Ich … ich …« Er stemmte sich auf Knie und Ellbogen hoch. »Die Erschöpfung, Herr.«
    »Du hast teuflisches Zeug gestammelt«, stieß der Unterzensor hervor. »
Das Schwert aus Blitzen gehämmert, der Schild ein geschmiedeter Mond
.« Argwöhnisch sah er seinen Hilfsschreiber an. »Stammt dieser Hokuspokus nicht aus dem Satansbuch – in dem du angeblich nie gelesen hast?«
    »Ich … ich entsinne mich kaum, Herr. Als es in meiner Kammer neben mir lag, drang ein Zischeln wie von Geisterstimmen daraus hervor. Mag sein, dass sie mir derlei Zauberformeln zugeflüstert haben.«
    Der Unterzensor schien sich fürs Erste zufriedenzugeben. Er zog ihn am Strick wieder hoch, und Hannes schob das Papierfetzchen tiefer in sein Hemd und spürte, wie sich ihm aufs Neue die Augen nach innen verdrehten.
    Und weiter ging die wilde Jagd. Wieder rannte und sprang Hannes und stolperte und fing sich wieder, und neuerlich schwebte der Gaukelspuk Handbreit vor seinen schlafwandlerisch vorgereckten Armen. Und abermals stieß er auf buntes Gezüngel und feuriges Gezischel am Wegrand und warf sich hin und wühlte und verbarg es diesmal in seiner Faust.
    »Vorsicht, Johannes, linker Hand ist eine tiefe Schlucht.«
    »Ja, Herr.« Er sprang wieder auf und verdrehte seine Augen nach außen und las im Rennen aus seiner hohlen Hand.
    … schob er seinen Kopf in den Dunst hinein und erblickte eine Brücke hoch über einem gewaltigen Strom. Am Anfang der Brücke stand ein tintenschwarzes Pferd von edler Gestalt und scharrte mit dem linken Vorderhuf im Staub. Und da sprang Laurentius durch den Spiegeldampf hindurch und fand sich auf dem Rappen sitzend, in silbern durchwirktem Gewand, das Erbschwert umgeschnallt und den blanken Schild in seiner Linken.
    Er blickte auf den Schild hinab und wunderte sich flüchtig, als er sich selbst in der Scheibe sah, wie er in der Kammer stand, im weißen Nachtgewand und von der Bettkerze angeschienen. Doch gleich schon vergaß er sein Erstaunen, hängte sich den Schild am Schultergurt um und trieb den Rappen über die Brücke: Dort drüben, am anderen Ufer, stand vielerlei Volk zusammengedrängt und winkte ihm mit Mützen und Fahnen zu. Tief unter ihm donnerte der Strom dahin, wirbelte Felsbrocken mit sich, als ob es Kieselsteine wären. Die Brücke, obwohl aus massivem Stein gemauert, zitterte unaufhörlich unter der Gewalt des Gewässers. Laurenz beeilte sich, sie hinter sich zu bringen, und war erleichtert, als sein Rappe wieder festen Fels unter den Hufen …

    So ging es Stunden und Stunden, Papierfetzen um Papierfetzen, immer in Richtung Kirchenlamitz zurück. Skythis wunderte sich lautstark darüber, aber Hannes achtete kaum darauf. Immer zorniger schimpfte der Unterzensor, weil Hannes ein ums andere Mal auf seine Knie fiel, im Laub herumscharrte und wieder aufsprang. Um kurz darauf wiederum zu Boden zu sinken, diesmal jedoch wie von Teufelstrug umnebelt. Skythis rüttelte ihn dann wütend bei den Schultern oder zerrte so heftig am Strick, dass der magere Leib seines Hilfsschreibers zur Gänze emporschnellte und auf denBoden zurückschlug, doch Johannes Mergelin schien von alledem wenig zu bemerken. Jedes Mal wurde es schwieriger, ihn aus der Behexung aufzuwecken, und als Hannes zum siebten oder achten Mal in diesen dämonischen Zustand verfallen war, wurde dem Unterzensor die Sache zu bunt.
    Sein Gehilfe lag bäuchlings am Boden, und seine Beine zuckten, als ob er gerade eine Treppe hochrennen würde. Skythis rüttelte ihn vergeblich und kauerte sich dann neben ihm ins Unterholz. Der Hilfsschreiber hatte seine Wange auf einen bemoosten Steinbrocken gebettet und lächelte töricht. Seine blutleeren Lippen bewegten sich zu lautlosem Gemurmel.
    »Johannes, was ist mit dir?«, stieß Skythis hervor und rüttelte ihn so heftig, dass Hannes mit der Schläfe gegen den bemoosten Steinbrocken schlug. Aber er grinste einfach in jener blöden Weise weiter. Und er grinste immer noch, als der Unterzensor ihn auf den

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