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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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erreichen, aber gottlob ohne Erfolg.
    Mit einem Schlag wurde Amos klar, wieso die beiden ihn so schnell hier gefunden hatten: Der magere Kerl spürte in seinem Innern, wo sich
Das Buch der Geister
befand, anders kann es gar nicht sein. Seit er darin gelesen hatte, musste ein magisches Band zwischen ihm und dem Buch bestehen. Und seitdem gierte er danach wie ein Verdurstender nach Wasser – so wie er an meinem inneren Lichtquell geräubert hat, sagte sich Amos, will er jetzt seinen Durst an der Quelle aller Quellen stillen, an Kronus’ Buch.
    Während diese Gedanken durch seinen Kopf flackerten, löste Amos behutsam seine linke Hand von dem Weidenast und näherte sie den Kleidungsstücken, die vor ihm auf den Baumwurzeln lagen. Er musste sich so langsam wie ein Schlafwandler bewegen, damit er keine Wellen auf dem See hervorrief. Sehr viel klüger wäre es ohnehin, sein Heil in der sofortigen Überrumpelung zu suchen – je länger er wartete, desto wahrscheinlicher würden die Bücherjäger den Knotenstrick entdecken und womöglich sogar ihn selbst hier draußen im See. Aber Amos brachte es nicht über sich, seine alten Kleidungsstücke einfach zurückzulassen und sich ohne einen Fetzen am Leib in den Kampf zu stürzen. Sozog er seine flüchtig gesäuberten, tropfnassen Hosen zollweise von der Insel ins Wasser und stieg Zeh um Zeh hinein, ohne dabei die kleinste Kräuselung im Wasserspiegel hervorzurufen.
    Unterdessen sprang der magere Bursche wie ein beißwütiger Hund an dem Baum hoch. »Was soll das, Johannes?«, stieß der Unterzensor hervor.
    Und sein Gehilfe gab in gurgelndem Tonfall zurück: »Das Buch, Herr – dort oben!«
    Der ältere Bücherjäger schaute zweifelnd von dem Burschen zum Baumwipfel und zurück. Halbherzig begann er, an einigen Luftwurzeln zu ziehen, die aus dem Geäst der Eiche herabhingen. Doch glücklicherweise rissen sie gleich entzwei, und so hörte er wieder damit auf. Trotzdem konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie den Knotenstrick entdecken würden.
    Amos holte tief Luft und tauchte unter. In seine Hosen hatte er sich glücklich wieder hineingeschlängelt, doch Hemd und Wams musste er zurücklassen. Mit gleichmäßigen Zügen schwamm er dicht über dem schlammigen Grund auf die Uferstelle zu, wo er das Seilende in jenem Busch verborgen hatte. Das Wasser war hier unten so trüb, dass man keine zwei Schritte weit sehen konnte, aber er hatte sich die Stelle genau eingeprägt, bevor er untergetaucht war.
    Spätestens wenn er seinen Kopf wieder aus dem Wasser streckte, würden die Bücherjäger ihn bemerken. Danach blieben ihm nur wenige Augenblicke, und wenn er dann auch nur einen einzigen Handgriff verpatzte oder irgendetwas anders als geplant lief, würden sie ihn schnappen. Ihre Beute – ihn selbst und das Buch.
    Aber dazu würde es nicht kommen, sagte sich Amos. Einmal hatte er sich in falscher Sicherheit gewiegt – ein zweites Mal würde ihm das nicht passieren.
    Er schnellte aus dem Wasser und schüttelte sich, um seine Augen freizubekommen. Unterwasserranken hatten sich ihm um Schultern und Hals geschlungen, aber das spielte jetzt keine Rolle – wichtig war nur, dass er an der richtigen Stelle hochgekommenwar. Das Ende seines Knotenstricks hing ein paar Zoll weit aus dem Busch heraus, und er packte es und riss daran, während Skythis gerade erst zu ihm herumgefahren war und ihn mit ungläubig geweiteten Augen anstarrte. Mit all seiner Kraft zog Amos am Seil, und, wie von einem Katapult abgeschossen, schnellte das Bündel hoch über ihren Köpfen aus dem Wipfel, während Amos mit gewaltigen Sprüngen aus dem Wasser schnellte und sofort losrannte, am Ufer entlang, und das Bündel am sich straffenden Seil hinter ihm herflog.
    Er rannte um den Busch herum und wusste, dass er jetzt mehrere Augenblicke lang ungeschützt sein würde, denn der Grasstreifen zwischen Ufer und Wald war sechs, sieben Schritte breit. »Fang ihn!«, bellte hinter ihm Skythis, und Amos ahnte, dass er den Jungen von der Leine gelassen hatte, aber er drehte sich nicht um, sondern rannte so schnell er konnte auf das Dickicht zu.
    Eben tauchte er wieder in den Wald ein, da hörte er hinter sich ein pfeifendes Schwirren und spürte einen halben Herzschlag später einen krachenden Aufprall, nur Fingerbreit neben seinem rechten Arm. Holz splitterte, und die gezähnte Streitaxt funkelte im Licht der Abendsonne, und im Rennen wandte sich Amos ganz kurz um: Die Axt steckte noch in dem Baumstamm und der Unterzensor

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