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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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brauchen. Und spätestens bis zum Abend müssten sich auch Skythis und Johannes hierher durchgekämpft haben.
    Falls Johannes nicht, durch die magischen Happen geködert, dem Bücherjäger abtrünnig geworden war. Ohne seinen Spürhund würde der Unterzensor ihn hier oben niemals finden.
    Das kreisrunde Zimmer unter dem Turmfirst erinnerte Amos an sein Lieblingsversteck in Burg Hohenstein. Doch auch für Erinnerungen hatte er jetzt keine Zeit, für Trauer so wenig wie für Zorn. Wie Laurentius Answer musste er alles in der richtigen Reihenfolge angehen.
    In der Mitte des Zimmerchens stand ein steinerner Tisch, um den sich zur Hälfte eine in die Mauer geschlagene Bank herumzog. Neben der Tür war eine Inschrift in die Wand gemeißelt, vor der Amos einige Augenblicke stehen blieb, um die verwitterten lateinischenWörter zu entziffern. » Im 1087. Jahr des Herrn auf Befehl von Otto I. von Bamberg errichtet, der die letzten fichtelgebirgischen Heiden taufen ließ .« Schmale Fensterscharten in alle vier Himmelsrichtungen ließen ein wenig Licht ein – allerdings auch immer wieder nasse Böen, die zu einer Luke herein- und heulend im Kreis herumfuhren. Und doch war es für Amos der behaglichste Ort seit vielen Tagen.
    Er zog seine tropfnassen Sachen aus und streifte nur die neuen Hosen über, die er noch in seinem Bündel verwahrt hatte. Trotz Sturm und Regen war es hier im Turm angenehm warm. Er wickelte
Das Buch der Geister
aus den Farn- und Schilfblättern und fand, dass es die Kletterpartie recht gut überstanden hatte. Der Umschlag sah mittlerweile reichlich fleckig aus, einige Blätter waren vor Feuchtigkeit gewellt und hier und dort war die Tinte ein wenig verlaufen. Aber das alles waren keine allzu argen Schäden.
    Amos ließ sich auf die Steinbank sinken und legte das Buch vor sich auf den Tisch. Aus seinem Bündel holte er auch noch die Reste seiner Wegzehrung hervor, schob sich rasch ein paar Brocken Brot und Käse in den Mund und begann dabei bereits, im
Buch der Geister
nach der richtigen Stelle zu blättern.
10
    Von der Frau, die im Brunnen wohnte

    Laurentius Answer schlang die Zügel um seine Hand und zog seinen Rappen mit sich, weiter am tosenden Strom entlang. Unaufhörlich trugen die Fluten Gesteinsbrocken so groß wie Kutschkästen mit sich, warfen sie hinaus auf die Böschung und rissen sie, wenn sie zurückgekollert kamen, weiter mit sich fort. Selbst der Felsboden unter seinen Füßen erbebte von diesen furchtbaren Stößen, und Laurentius dachte, wenn er von einem solchen Brocken getroffen würde, wäre es aus mit ihm.
    Eine Weile wanderte er so dahin, betäubt vom Getöse der Strömung. Irgendwann aber fiel ihm auf, dass die Felsbrocken, die einige Dutzend Schritte voraus auf die Böschung fielen, nicht in den Fluss zurückgerollt kamen. Dort musste also eine Öffnung im Uferfels sein, und freudig sagte sich Laurenz, dass dort gewiss der gesuchte Brunnen sei.
    Als er aber die Stelle erreichte, wo die Felsstücke in der Böschung verschwanden, war es kein Brunnen, sondern eine prächtige Allee. Gesäumt von baumhohen Steinskulpturen, führte sie mit leichtem Gefälle geradewegs in die Erde hinein. Der Ritter fuhr sich über die Stirn und schüttelte dann, über sich selbst lächelnd, den Kopf. Der Anblick dieser Straße erstaunte ihn und schien ihm doch seltsam vertraut. Er zog seinen Rappen zwischen den Trümmerstücken hindurch, schwang sich in den Sattel und ritt langsam die Allee hinab.
    Die Figuren beiderseits der Straße stellten allesamt Männer im mittleren oder reiferen Alter dar. Sie anzusehen, erweckte in Laurenz ein Gefühl wehmütiger Vertrautheit, dabei kam ihm, wenn er sie einzeln ins Auge fasste, nicht eine dieser Gestalten bekannt vor. Ohnehin wandten sie alle ihm das Profil zu und schauten mit feierlichem Ernst die Straße hinunter. Manche deuteten mit ausgestrecktem Arm in die Unterwelt hinein, andere machten allein durch ihre erwartungsvollen Mienen klar, dass alles, was ihrer Aufmerksamkeit wert sein konnte, dort unten zu finden war. Den tosenden Fluss, überhaupt die ganze oberirdische Welt würdigte niemand von ihnen auch nur eines Blickes.
    Laurentius ließ seinen Rappen nun traben und der Hufschlag hallte von den Bergwänden wider. Der Verkehr wurde lebhafter, er überholte Lastkarren und Fußgänger und wurde seinerseits von berittenen Kurieren überholt. Straßen zweigten nach allen Seiten ab, die meisten eng und ärmlich, keine so prächtig wie die Allee, auf der er

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