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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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weiterhin blieb. Obwohl Laurenz nirgendwo Lampen bemerkte, herrschte eingleichmäßiges Licht, weder grell noch trüb, als ob diese ganze unterirdische Welt von innen her erstrahlte.
    Nach geraumer Zeit kam er zu einem Platz, der war von stattlichen Häusern gesäumt. Am Brunnen in der Mitte standen sechs Männer im Gespräch. Sie alle waren in mittlerem Alter und trugen lange Bärte über Gewändern, die zugleich steif und unförmig aussahen.
    Laurenz lenkte sein Pferd zu ihnen und wünschte ihnen freundlich einen guten Tag. Die Männer sahen einander an. Einer von ihnen schaute nach oben, und als Laurenz seinem Blick folgte, war der Himmel über ihnen funkelnd schwarz. »Das hat ja nichts zu bedeuten«, sagte er mit einem Lächeln. »Der Himmel hier ist wohl aus Schiefer?« Er zog sogar sein Schwert und wollte mit der Spitze über den Himmel kratzen, um den Männern zu zeigen, dass ihr Himmel aus schwarzem Gestein war. Aber kaum hatte er das Erbschwert der Edlen von Answer aus der Scheide gezogen, als die Mienen der Männer feindselig wurden.
    Hastig schob Laurenz seine Waffe zurück. »Ich komme in friedlicher Absicht«, versicherte er ihnen. »Ich suche nur die Frau, die im Brunnen wohnt.« Und er lenkte sein Pferd näher an die Brüstung und wollte hinabspähen, ob dort unten vielleicht ein Weib im Wasser säße.
    Doch die Männer schoben sich zwischen ihn und den Brunnen. Einer von ihnen griff ihm sogar in die Zügel und drängte Laurenz zurück. »Dieses Weib werdet Ihr nirgends finden«, sagte er, »aber alle Weisheit, die Ihr Euch von ihr erhoffen könnt, bekommt Ihr von uns.« Er zwinkerte Laurenz zu. Auch die anderen Männer sahen ihn nun erwartungsvoll an. Sie verzogen die Gesichter zu einem Grinsen, aber es war mehr ein Zähnefletschen, und ihr Lachen klang unecht.
    »Was könnte ich denn von Euch bekommen?«, fragte Laurenz.
    »Steigt nur von Eurem Pferd und folgt uns in den Laden.« Sie redeten nun alle durcheinander. »Bildertöpfe wie die unseren findet Ihr nirgendwo sonst.« Ihr Ton wurde prahlerisch. »Wie weit Ihr auch reiten mögt«, sagte der Mann, der Laurenz’ Pferd am Zügel hielt. Ein anderer Mann deutete die Straße hinunter und spuckte dann verachtungsvoll aus.
    »Bildertöpfe?«, wiederholte Laurenz.
    Wieder redeten alle auf ihn ein. »Mit allem darin, was Euch jemals in den Sinn kommen könnte. Edle Szenen, unübertrefflich kunstvoll ausgeführt.« Während sie prahlten und gestikulierten, lief einer von ihnen zu dem Haus, das dem Brunnen am nächsten stand, und war nur Augenblicke später zurück. Er hielt einen irdenen Topf mit beiden Händen vor seiner Brust und ließ Laurenz einen raschen Blick hineinwerfen, dann zog er das Gefäß wieder an sich. »Nur drei Gulden das Stück«, sagte er in lockendem Singsang, »wohlfeiler und kostbarer als irgendwo sonst.«
    Am Boden des Topfes hatte Laurenz ganz kurz ein Bild gesehen, das ihm auf schmerzliche Weise bekannt vorkam. Eine düstere Kerkerzelle, darin ein Mann, der an Boden und Wand mit eisernen Fesseln angebunden war. »Mein Vater«, murmelte er tief bestürzt, »angekettet in seinem eigenen Verlies. Wie kommt Ihr zu diesem Bild?«
    »Steigt nur von Eurem Pferd, dann könnt Ihr so viele Bildertöpfe sehen, wie Ihr mögt und vertragt.«
    Laurenz war nun vollkommen durcheinander. Schon wollte er vom Pferd steigen und sich von den Männern hinführen lassen, wo immer sie mit ihm hinwollten, da vernahm er vom Brunnen her ein leises Seufzen. Kurz entschlossen entriss er dem Mann, der ihm bereits aus dem Sattel helfen wollte, seine Hand und drängte sein Pferd an den Brunnen heran.
    Tief unten im Grundschlamm erblickte er ein Gewimmel schmutzstarrender kleiner Gestalten. »Was ist das?«, fragteer, und ein Frösteln überlief ihn. »Um Himmels willen – was sind das für unselige Kreaturen?«
    »Es sind unsere Söhne, was glaubt denn Ihr?« Die Männer schienen nun außer sich vor Zorn. Ihre Hände zuckten zu den Messern, die sie ohne Scheide blank im Gürtel trugen. »Etwas Besseres, als unsere Knaben dort unten hervorkratzen, findet Ihr nirgendwo.« Ihre Stimmen dröhnten. »Die Frau, die im Brunnen wohnt«, höhnten sie. »Eine lügenhafte Erfindung, nichts weiter! Reitet nur in Euer Unglück! Niemals werdet Ihr dieses Weib finden.«
    Von Grauen erfüllt, riss Laurentius Answer sein Pferd zurück und machte, dass er davonkam. Im Galopp ritt er eine geraume Weile weiter die Allee entlang. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Endlich

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