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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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durcheinandergewürfelte Felshaufen sei früher einmal ein einziger Berg gewesen, in einem Stück und scheinbar durch und durch massiv. Doch mit der Zeit sei er von seinen inneren Gewässern so gründlich durchhöhlt und durchlöchert worden, dass er zu diesem riesigen Steinhaufen zusammengestürzt sei.
    Bis zum Gürtel im eiskalten Wasser stehend, legte Amos eine kurze Pause ein. Die Sonne stieg bereits aus den Wäldern empor, und tief unter sich im Tal sah er das stolze Wunsiedel ausgebreitet mit seinen vielerlei Türmen und Dächern und dem mächtigen Wehrwall, der die Stadt schützend umschloss.
    Die Stadt, in der Klara nun lebte – wiederum sah Amos sie ganz deutlich vor sich, während Klara in ihrer Kammer langsam erwachte. Wie sie ihre Augen aufschlug und sich auf ihrem Strohlager genüsslich rekelte und streckte. Wie sie die Decke zurückwarf und im Aufstehen ihr schlafverworrenes Haar mit den gespreizten Fingern ihrer linken Hand aus der Stirn kämmte. Amos schüttelte den Kopf. Er hatte alles so klar mit ansehen können, als ob er neben ihrem Bett auf einem Schemel säße und ihr zuschaute. Aber das kam vielleicht daher, dass er eben mit dem linken Zeigefinger über den Augenstein in ihrem Amulett gefahren war.
    Doch er musste weiter, er durfte jetzt nicht nachlassen, so kurz vor dem Ziel. Das Wasser gurgelte und brauste um ihn herum, und er war froh, dass er unterwegs Farn und Schilfblätter gepflückt und
Das Buch der Geister
in mehreren Schichten damit umwickelt hatte. Noch war er nicht in Sicherheit, auch wenn er sich so zuversichtlich fühlte wie seit Langem nicht mehr.
    Er legte den Kopf zurück, um die Hindernisse abzuschätzen, die er nun noch überwinden musste. Er befand sich am Grund einer Schlucht, die fünfzehn Fuß tief sein mochte und doppelt so breit. Inmitten der Schlucht ragte die dünne Felssäule auf, die nach oben spitz zulief wie ein Horn. Ganz zuoberst auf diesem Horn saß der aufgegebene Wehrturm wie ein steinerner Hut undsah zumindest aus dieser Perspektive lachhaft klein aus. Aber der Turm stellte gleichwohl eine nahezu uneinnehmbare Festung dar. An der vom Wasser glatt polierten Felssäule emporzuklimmen, war ganz und gar unmöglich. Es gab keinen anderen Weg, als an einer der beiden Schluchtwände aufzusteigen, die allerdings kaum besseren Halt boten, oben den Strick zwischen Felsgrat und Turmfuß auszuspannen und sich an dem Seil in schwindelnder Höhe hinüberzuhangeln.
    Amos nahm den Knotenstrick von der Schulter und suchte sich hoch droben am Ende der linken Schluchtwand eine Felszacke aus, die ihm genügend Halt für den Aufstieg bieten würde.
9
    N
och während er die glitschige Felswand
emporgeklettert war, hatte sich der Himmel über Amos verdüstert. Nun stand er oben auf dem Felsgrat, schwindelnd hoch über aller Wildnis und der von hier aus winzig kleinen Stadt.
    Wind kam auf und schüttelte die Bäume, die sich mühsam genug in Felsritzen und steinernen Spalten verwurzelt hatten. Wie von Riesenfäusten herbeigeprügelt, so rasch kamen die Regenwolken herangejagt. Seit Wochen war der Himmel immer nur leuchtend blau gewesen, doch nun wurde er binnen Kurzem gewitterschwarz.
    Eine Bö fuhr Amos ins Gewand und riss ihn beinahe von den Füßen. Selbst der Turm auf seiner beängstigend dünnen Felssäule schien im Wind zu schwanken. Er musste sich sputen, um noch rechtzeitig dort hinüberzugelangen – ehe das Unwetter herniederbrach.
    Amos zog das Seil zu sich empor und ordnete es zu weiten Schlaufen, wie er es von seinem Vater gelernt hatte. Bis zum Wehrturm waren es nur ungefähr fünfzehn Fuß und der gebogene Eisenhaken im Fuß des Bauwerks sah beruhigend starkaus. Eigentlich wäre es keine allzu große Sache gewesen, das Seil so hinüberzuwerfen, dass es sich mit der Schlinge um den Eisenhaken legte. Aber durch den Wind wurde alles viel schwieriger.
    Als Amos die Schlinge zum ersten Mal warf, wurde das Seil von einer Fallbö erfasst und mit furchtbarer Gewalt in die Schlucht hinabgerissen. Beinahe hätte es ihn mit hinuntergezogen, doch er machte geistesgegenwärtig einen Satz nach hinten und hielt das Ende seines Stricks fest umklammert. Der zweite Wurf gelang besser, aber im allerletzten Augenblick, als die Schlinge bereits über dem Haken schwebte, wurde sie wiederum von einem Windstoß erfasst und unter dem Turmfuß gegen den Fels gepeitscht. Dort verfing sich das Seil an einer Gesteinszacke von wenig vertrauenswürdigem Aussehen.
    Amos brauchte mehrere kostbare

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