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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Ewigkeiten nicht benutzt worden zu sein –die Eisenteile waren mit Rost überzogen, die Steinkugeln mit Schlamm und Moos.
    Und doch musste er es versuchen – diese wacklige Waffe war seine allerletzte Chance.
    So leise wie möglich hob Amos eine Kugel vom Boden auf und legte sie vor die Feder. Die Kugel war größer als ein Männerschädel und so schwer, dass er sie mit zwei Händen nur mühsam heben konnte. So altertümlich das Katapult auch sein mochte, es war ohne Zweifel eine furchtbare Waffe.
    Beide Hände auf der Kurbel, wartete er mit wild klopfendem Herzen, bis die Männer ihren Steg dort unten über die Schlucht gesenkt hätten. Einer von ihnen stieß einen Schrei aus – Fluch oder Befehl –, und fast im selben Moment krachte der Baumstamm mit der Wipfelseite voran auf dem Turmfuß nieder. In das Getöse hinein drehte Amos die Kurbel, so rasch es nur ging, und konnte sein Glück kaum fassen: Die rostige Feder spannte sich, mit jeder Umdrehung der Kurbel zog sie sich noch etwas mehr zusammen.
    Doch als er schließlich so weit war – die Feder zum Zerspringen gespannt, das Katapult genau auf den Baumstamm unter ihm ausgerichtet, seine Hand an dem Hebel, der die Feder lösen würde –, da war der erste der gepanzerten Bücherjäger bereits über der Schlucht. Zwischen zwei Zinnen hindurch beobachtete Amos, wie er geschmeidig über den Steg lief, und ganz kurz durchzuckte ihn der Gedanke: Ich kann nicht auf ihn schießen. Noch im selben Moment aber riss er den Hebel hoch und die Feder schnellte mit eisernem Kreischen nach vorn und versetzte der Steinkugel einen gewaltigen Stoß.
    Das Geschoss rollte zuerst nur schwerfällig auf dem Lauf entlang, doch mit jeder Umdrehung schien die Kugel mehr Schwung zu gewinnen. Machtvoll jagte sie über die Brüstung und krachte unten in den Baumstamm und der Steg der Bücherjäger brach mit einem jämmerlichen Ächzen mitten entzwei. Für einen kurzen Augenblick bildete der zersplitterte Stamm über der Schluchtein V, dann öffnete sich unten der Winkel und spie den Gepanzerten in den Abgrund hinab. Das Unwetter hatte die Schlucht in einen reißenden Strom verwandelt – Amos sah, wie der schreiende Bücherjäger mit den Füßen voran in die Flut eintauchte und sofort mitgerissen wurde, in tollem Taumel talwärts, wie verzweifelt er auch mit den Armen um sich schlug.
    In seinem Kopf begannen sich die Umrisse eines aberwitzigen Fluchtplans zu bilden – vielleicht war dies ja doch keine ausweglose Falle. Aber Amos kam nicht dazu, auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken: Drüben auf dem Plateau erschallte abermals ein gellender Pfiff und im nächsten Moment waren alle drei Falken in der Luft und griffen ihn an. Ihre gewaltigen Flügel rauschten wie Segel und ihre bernsteingelben Augen starrten ihn mitleidlos an, während sie mit den grässlich spitzen Riesenschnäbeln voran auf ihn heruntergeschossen kamen.
    Amos riss sein Kurzschwert aus der Gürtelscheide. Einer der Falken schlug ihm seine messerscharfen Krallen in die Schulter und er schrie auf und stach mit seinem Kurzschwert blindlings um sich. Die Vögel krächzten und keuchten und schlugen mit ihren Flügeln und hackten mit den Schnäbeln auf ihn ein. Er spürte, wie seine Klinge gegen etwas Hartes prallte – Kralle oder Schnabel –, dann abglitt und tief in einen Körper hineinfuhr. Warmes Blut quoll hervor, ergoss sich ihm über Hand und Arm und ein widerlicher Geruch nach faulig Halbverdautem brach hervor. Im nächsten Moment war Amos bei der Treppe und rannte die Stufen hinunter, beide Arme über seinem Kopf, um sich vor den Falken zu schützen.
    Erst als er bei der Kammertür war und sich umwandte, sah er, dass die Falken oben zurückgeblieben waren. Der Treppenschacht war offenbar zu eng für sie – zwischen den Mauern könnten sie nicht einmal ihre Flügel ausbreiten. Zwei der mächtigen Räuber saßen auf der Brüstung und starrten ihm mit ruckenden Köpfen hinterher. Der dritte hockte unweit des Katapults am Boden, in einer Pfütze aus Blut und Federn. Als vom Plateau her wieder diePfeife gellte, stiegen die beiden Falken auf der Brüstung sogleich wieder empor. Der dritte hob den Kopf und begann mühsam mit den Flügeln zu schlagen. Erst als Amos eine Bewegung in seine Richtung machte, erhob er sich in die Luft und flog taumelnd davon.
3
    K
lara? Danke für den Ratschlag.
    Er saß wieder in der Kammer unter der Fensterscharte, die Augen geschlossen. Nach dem siegreichen Kampf fühlte er sich

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