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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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nach auf den Bauch.
    Mit seiner Panzerung aus Lederflicken, die ihn von Kopf bis Fuß umhüllte, sah er nun vollends wie eine jener schauerlichen Riesenechsen aus, die Amos in der Schedel’schen Weltchronik gesehen hatte. Der Mann scharrte einige Augenblicke lang mit Händen und Knien auf dem glitschigen Untergrund. Dann gelang es ihm, sich wieder aufzurappeln, und er stampfte tropfensprühend in Richtung der kümmerlichen Fichten am hinteren Ende des Felsplateaus davon.
    Bis dahin hatte Amos ganz selbstverständlich angenommen, dass es sich bei dem Gepanzerten um jenen Mann handelnmusste, der den Eisenwagen gelenkt hatte. Doch als er ihm nun mit den Augen folgte, wie er im prasselnden Regen auf den hinteren Rand des Plateaus zulief, da vergaß Amos vor Schreck fast zu atmen: Dort hinten zogen sich eben zwei weitere Männer an den Ästen der verkrüppelten Bäume auf die Anhöhe hinauf und beide trugen ebensolche Gewänder, Helme und Masken aus Flickenleder. Ihr Kumpan redete heftig gestikulierend auf sie ein und mehrfach wandte er sich dabei um und deutete zum Turm hin.
    Mit einem inneren Zittern ließ Amos die angestaute Atemluft entweichen. Ehe er abermals Luft geholt hatte, wurde im gleißenden Licht der Blitze dort drüben abermals ein Fichtenast heftig abwärtsgezogen: Haare und Gewand vor Nässe gedunkelt, hievte sich der Unterzensor Skythis aufs Plateau. Stolpernd tauchte der wölfische Bücherjäger unter dem Astwerk hindurch, richtete sich auf und starrte zum Turm herüber. Gerade in diesem Moment riss über ihnen der Himmel auf und ein Schwall Abendlicht ergoss sich auf das Plateau. Es rötete die sonst aschefahlen Flickenpanzer ebenso wie Skythis’ graues Gewand und es beleuchtete die elende Kreatur, die er hinter sich herzog. Das Seil, an dem ihn der Bücherjäger führte, trug Johannes nun um seinen Hals geknüpft und seine Hände waren links und rechts an den Halsstrick gefesselt.
    Sie werden mich töten, durchfuhr es Amos.
    Er ließ sich unter dem Lukenfenster zu Boden sinken und schloss die Augen. Kronus, mein weiser Herr, dachte er, ich habe alles getan, was in meiner Macht stand, um das Buch zu retten, aber es war nicht genug. Ich habe die Bücherjäger in die Irre geführt und mich in das sicherste Versteck geflüchtet, das ich finden konnte, aber es war nicht genug. Ich habe die zweite Geschichte aus dem
Buch der Geister
gelesen und sie mir so gut ich nur konnte innerlich angeeignet, aber auch das war offensichtlich nicht genug.
    In seinen Augen, seiner Kehle begann es zu brennen. Draußen krachten die Donnerschläge und Blitze zerfetzten neuerlich denschwarz und rot zerpflügten Himmel. Regen toste urgewaltig hernieder, und der Sturm fuhr um den Turm wie eine ganze Streitmacht heulender Gespenster.
    Kronus, mein gütiger Vater, dachte Amos beschwörend, wenn Ihr meine Gedanken empfangen könnt, so gebt mir ein Zeichen!
    Die Augen weiterhin geschlossen, lauschte er angestrengt in sich hinein. In seinem Innern erblickte er den pulsierenden rotgoldenen Lichtpunkt, sein eigenes magisches Herz. Ein kräftiger Strahl ging davon aus und verband ihn mit einem zweiten Lichtquell, der silbrig schimmerte wie früher das Pentagramm auf Kronus’ Pult.
    Kronus, Herr, begann Amos wieder – aber er spürte ja, dass es nicht Kronus war.
    Drüben auf dem Felsplateau vermischten sich nun metallische Schläge und das Splittern von Holz mit dem Tosen des Unwetters. Diese Schläge waren viel schwächer als das Krachen des Donners, und doch zuckte er bei jedem Hieb zusammen, als ob er selbst getroffen würde.
    Sie fällen einen Baum, dachte Amos. Er schob sich an der Wand wieder ein wenig empor und spähte durch die Fensterscharte. Zwei der gepanzerten Männer hieben mit ihren Streitäxten abwechselnd auf einen der Krüppelbäume ein. Sie hatten den längsten und kräftigsten Baum gewählt, und man brauchte überhaupt keine prophetischen Kräfte, um zu erraten, was sie im Schilde führten: Sie würden den Baumstamm bis zum Felsgrat schleifen und so über die Schlucht fallen lassen, dass sie zu seinem Turm hinüberbalancieren oder sich über den Abgrund hangeln konnten.
    Wieder kauerte er sich auf den Boden. Vielleicht würden sie noch eine halbe Stunde brauchen, vielleicht auch noch ein wenig länger, falls sie warten wollten, bis sich das Unwetter gelegt hatte. Aber dann würden sie herüberkommen. Und es gab nichts, was er dagegen tun konnte.
    Er saß in der Falle.
    Aufs Neue fielen ihm die Augen zu, doch

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