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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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furchtbares Dröhnen ertönte, dann wurde es mit einem Mal still. Offenbar hatten sie Schloss und Scharniere zerschossen und daraufhin war die Tür in den Turm hinein umgestürzt.
    Die Verbindung zu Klara war abgerissen, aber jetzt musste er sowieso seine ganze Aufmerksamkeit auf die Bücherjäger richten. Bestimmt hatten sie die Tür nicht nur deshalb aufgeschossen, damiter die Nerven verlor oder weil ihnen nichts Besseres eingefallen war. Zweifellos hatten sie einen Plan.
    Aber was für ein Plan sollte das denn sein? Ohne ein Seil oder einen Steg über die Schlucht half ihnen auch die aufgeschossene Tür wenig. Doch ein Seil von der nötigen Länge hatten sie anscheinend nicht bei sich, und wenn sie einen weiteren Baum umgehackt hätten, dann hätte er das ja wohl mitbekommen. Wozu also hatten sie ein Dutzend Kugeln auf die Tür abgefeuert?
    Amos kauerte sich wieder unter die Fensterluke. Skythis beugte sich eben über Johannes und löste ihm den Strick von Hals und Händen. Aber Johannes hatte sich kaum auf seine Fäuste und Knie aufgerappelt, da band ihm der Unterzensor das Seil auch schon wieder unter den Achseln fest. Währenddessen standen die beiden Gepanzerten wie Wachtposten am Rand der Schlucht, genau gegenüber der Turmtür. Jeder von ihnen hatte einen Falken auf seiner rechten Schulter hocken, und sie sahen so vollkommen gleich aus, als ob sie keine natürlichen Lebewesen wären, sondern erschaffen im Alchimistenlabor – immer paarweise, Raubvogel und gepanzerter Mann. Ihre Gewehre hielten sie auf den Turm gerichtet – der eine zielte in Richtung Katapult, der zweite auf das klaffende Türloch.
    Unterdessen zerrte Skythis seinen Gehilfen hinter sich her zum Schluchtrand. Johannes schien kaum mehr bei Besinnung, er sprang und taumelte auf allen vieren wie ein tollwütiger Hund. Als er einmal aufblickte, sah Amos, dass seine Augen wieder nach innen verdreht waren. Aus seinen Augenschlitzen blitzte es gelblich und zwischen seinen gefletschten Zähnen quoll Schaum hervor.
    Der Unterzensor zog seine Streitaxt aus dem Gürtel und schob sie Johannes unter das Gewand. »Hast du alles verstanden?«, stieß er hervor und Johannes antwortete mit einer Folge heiserer Winsellaute.
    Daraufhin nickte Skythis einem der beiden Gepanzerten zu und hielt ihm das Ende des Stricks hin, mit dem Johannes gebundenwar. Der Gepanzerte warf sich sein Gewehr über die Schulter und ergriff stattdessen mit beiden Händen das Seil. Er riss Johannes daran empor und begann sich zwei Fußbreit vor dem Abgrund, wie vom Irrsinn gepackt, im Kreis zu drehen. Der Falke stob von seiner Schulter auf, während der heulende, gurgelnde Johannes an seinem Strick waagrecht in der Luft herumgerissen wurde, schneller und schneller im Kreis. Endlich ließ der Gepanzerte los, und Johannes flog wie von einer Armbrust abgeschossen über die Schlucht und krachte unten in den Turm hinein.
    Johannes, der die Streitaxt seines Meisters bei sich trug. Und dem zweifellos befohlen worden war,
Das Buch der Geister
an sich zu bringen und ihn, Amos, zu töten.
4
    M
it fliegenden Fingern raffte Amos
seine in der Kammer verstreuten Habseligkeiten zusammen. Er wickelte das Buch erneut in die dicken Schichten aus Farn und Schilf, stopfte alles in sein Bündel und warf es sich über die Schulter. Währenddessen lauschte er auf die tappenden Schritte, das Keuchen und Winseln von der Treppe her. In seiner linken Hand hielt er die Waffe, mit der er sich gegen Johannes zur Wehr setzen würde – den allerletzten der zerknickten Papierfetzen, die er gestern Abend hastig bekritzelt hatte.
    Falls ihn das Blatt mit einem weiteren Bruchstück aus Kronus’ erster Geschichte nicht retten würde – mit seinem Kurzschwert würde er Johannes jedenfalls noch weniger besiegen, falls der sich wie ein Bluthund auf ihn stürzen würde.
    Amos schob sich hinter die Kammertür, die spaltbreit offen stand, und hielt den Atem an. Im nächsten Moment war Johannes draußen vor der Schwelle und warf sich mit einem Gurgeln gegen die Tür. Weit vornübergebeugt, mit pendelnden Armen, kam er in die Kammer gestürzt. Witternd hob er die Nase, und seine rechteHand mit der Streitaxt schnellte empor – da sprang Amos hinter der Tür hervor, stieß Johannes zur Seite und warf ihm gleichzeitig den zur Kugel geknüllten Papierfetzen zu. Schon rannte er die Treppe hinab, hörte, wie oben die Streitaxt klirrend zu Boden fiel und der Gehilfe des Bücherjägers in glückseligem Irrsinn zu stammeln begann:

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