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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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zögerte, würde der Abstand größer werden. Sie schwang sich mit ihren Beinen weiter nach rechts, damit sie nicht auf dem gestampften Fußweg, sondern am weicheren Rand des Weizenfeldes aufkommen würde. Dann löste sie den Griff ihrer Finger und fiel.
    Mit den Füßen voran rauschte sie ins Getreide und ließ sich geschickt nach vorn fallen, auf Hände und Knie, wie sie es von ihrem Vater gelernt hatte. Und noch mit dem Schwung von ihrem Sturz schnellte sie hoch und begann gleich wieder zu rennen, über den Fußweg auf den »Wilden Jäger« zu.
    Ich bin draußen, Amos – Hans hat mir geholfen, mich vor der Burgmauer abzuseilen. Das Buch habe ich bei mir. Im Rennen tastete sie danach. Sei unbesorgt, Liebster, wir finden einen Weg, dich rasch wieder zu befreien.
    Klara rannte und presste das Buch unter ihrem Gewand an ihr Herz. Aber eine Antwort erhielt sie wiederum nicht und ihre Tränen konnte sie nun nicht länger zurückhalten. Sie war nur noch ein gutes Dutzend Schritte vom »Wilden Jäger« entfernt, wo ihre Füchsin im Stall stand. Im Rennen wischte sie sich die Tränen ausden Augen. Auch der Pferdebursche sollte nicht merken, was mit ihr los war.
    Vor der Stalltür blieb sie kurz stehen, um ihren Atem zu beruhigen. Sie strich ihre Haare und ihr Gewand glatt. Sie war über und über mit Marmorstaub aus dem Korb bedeckt, aber daran war jetzt auch nichts zu ändern. Außerdem war es im Stall düster und der Stallbursche war mit angeborener Blödigkeit geschlagen und würde sowieso nichts Auffälliges bemerken.
    Hans Wolf, du bist so feige, dachte sie, du solltest dich künftig besser Hans Hase nennen.
    Sie stieß die Stalltür auf, nickte dem Burschen zu, der weiter hinten eine Mähre striegelte und ihr mit blödem Grinsen entgegenglotzte. Sie kümmerte sich nicht um den Kerl, sondern lief gleich zur Füchsin, nahm den Sattel vom Wandhaken und begrüßte sie mit den vertrauten Summlauten. Wir müssen fort, so schnell wie der Wind , dachte sie, und die Füchsin nickte und schnaubte, als ob sie verstanden hätte.
    Klara warf ihr Sattel und Zaumzeug über, zurrte alles fest und schwang sich noch im Innern des Stalls auf ihr Pferd. Falls sich draußen vor der Tür ein paar Burgwächter oder Purpurkrieger herumtrieben, würde sie die Kerle einfach niederreiten und den Moment der Verwirrung nutzen, um im Galopp davonzujagen.
    Amos, ich flehe dich an – gib mir ein Zeichen!
    Gerade als sie die Füchsin zur Tür lenkte, kam der Stallbursche mit seinem schwachsinnigen Grinsen auf sie zugestolpert. Eine Hand wischte er sich am Hosenboden ab, mit der anderen zeigte er ins Gebälk über ihr. Aber was immer er von ihr wollte, sie würde sich nicht darum kümmern, beschloss Klara, beugte sich zur Stalltür hinab und zog sie auf. So konnte sie nur gerade noch in ihren Augenwinkeln die schattenhafte Gestalt wahrnehmen, die sich von einem Dachbalken herab und hinter ihr auf die Füchsin fallen ließ. Die erschrockene Stute machte einen Satz und war im Freien und rannte gleich weiter auf dem schmalen Weg zurück zum Fluss.
    Klara spürte die kalten stählernen Zähne an ihrer Kehle und die knochendürre Hand, die unter ihr Gewand geglitten war und auf ihrer Haut herumscharrte. Sie konnte sich kaum mehr regen vor Angst und Ekel, während die Füchsin nach eigenem Gutdünken am Fluss nach rechts abschwenkte und in unruhigem Trab dem Uferpfad folgte.
    Der klapperdürre Gehilfe des Bücherjägers – denn nur er konnte es sein, der da hinter ihr hockte – drückte mit der rechten Hand die spitz gezähnte Seite seiner Streitaxt gegen ihren Hals. Seine Linke bekam das Buch zu fassen und riss es so wild unter ihrem Gewand hervor, dass das Leintuch mit einem hässlichen Ratsch in Fetzen ging. »Mein Buch, mein himmlisches Höllenbuch!«, hörte sie ihn wimmern, und im nächsten Moment fiel er nach links von ihrem Pferd herunter und kollerte sich überschlagend die Böschung zur Regnitz hinab.
    Die Füchsin blieb so unvermittelt stehen, dass Klara es ihm beinahe gleichgetan hätte. Sie schrie auf – zuerst vor Schreck, dann aus hilfloser Wut. Im ersten Augenblick hatte sie geglaubt, dass Johannes einfach vom Pferd gefallen wäre und sich bei dem Sturz die Böschung hinab alle Knochen gebrochen hätte, aber nichts davon traf zu. Er kollerte bis zum Wasser hinab, doch dort sprang er gleich auf und rannte weiter, wie der Leibhaftige humpelnd. Rechts schwenkte er die Streitaxt, links das Geisterbuch und dabei stieß er unaufhörlich sein

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